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Auf eine echte Krise vorbereiten

Christoph Badelt war am Donnerstag zu Gast in "Vorarlberg LIVE".
Christoph Badelt war am Donnerstag zu Gast in "Vorarlberg LIVE". ©VOL.AT
Ökonom Christoph Badelt sprach in "Vorarlberg LIVE" über die Lage der Wirtschaft.

Christoph Badelt ist einer der bekanntesten und profiliertesten Ökonomen Österreichs. Von 2002 bis 2015 war der gebürtige Wiener Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien, danach bis 2021 Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes. Seit Mai 2021 ist Badelt Präsident des österreichischen Fiskalsrates. Dieser ist ein Gremium, das durch Analyse der Kapitalmärkte und der Entwicklung der Finanzschuld die Politik unterstützen soll, finanzpolitische Maßnahmen zu setzen.

Badelt war am Donnerstag zu Gast beim 4. Business Summit der Fachhochschule Vorarlberg, die dieses Mal unter dem Titel „Nachhaltig – Denken und Handeln“ stattfand.  Die Teilnehmer informierte er über die nachhaltige Veränderung der österreichischen Wirtschaft nach Covid und im Ukrainekrieg. Im Gespräch analysierte er die Lage der Wirtschaft insgesamt, die Inflation und wie die Wirtschaft, aber auch der Staat damit umgehen können und sollen.

Die nachhaltige Veränderung, so Badelt, habe bereits Fahrt aufgenommen, etwa durch den Digitalisierungsschub in der Coronapandemie, ein Kraftakt werde es auch, sich ernsthaft aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu lösen, überhaupt haus der fossilen Energie herauszukommen. Allerdings, so der lebens- und praxiserfahrene Professor, sei es noch nie so schwer gewesen wie heute, wirtschaftliche Entwicklungen vorherzusagen. Der Mangel an Fachkräften und Mitarbeitern überhaupt, werfe weitere Fragen auf, die eigentlich längst beantwortet sein müssten. „Wir Wirtschaftswissenschaftler haben darauf schon seit Jahren hingewiesen“ so Badelt. Aber er nimmt nicht nur die Politik, sondern auch die Unternehmen in die Pflicht. „Es braucht auch für Mitarbeiter eine ständige Weiterbildung.“ Das Bildungssystem wirke aber nicht von heute auf morgen. „Nach wie vor gibt es viele Menschen, die keine ausreichende Bildung haben“, auch bildungsferne Schichten und Menschen mit migrantischen Hintergrund müssen, so Badelt besser eingebunden werden.

Von der öffentlichen Hand fordert Badelt eine umfassende Kinderbetreuung, die ein „ganz wesentlicher Faktor ist“, um Frauen, die heute besser den je ausgebildet sind, in Beschäftigung zu halten oder zu bringen. Und auch das heiklen Thema Migration müsse berücksichtigt werden. „Das muss sofort angegangen werden, denn den Mitarbeitermangel gibt es nicht nur in Österreich, den gibt es in allen europäischen Ländern“.

Besonders kritisch beobachtet Badelt die derzeitige Energiepolitik und die prekäre Situation am Energiemarkt. „Ich persönlich glaube, dass wir uns auf eine echte Krise vorbereiten müssen“, er wolle nicht daran glauben, anderswo genug Gas zu bekommen, um wie bisher weiterzumachen. Er kenne keine entsprechenden Szenarien, die es vielleicht gebe und bei denen es auch gut sei, dass sie nicht umfassend veröffentlicht werden, doch einen Fahrplan fordert er ein. Bisher müsse man „nur“ den hohen Preis bezahlen, aber was ganz anderes sei, wenn das Gas tatsächlich ausgehe. Die politische Priorisierung der Haushalte und Stromerzeuger greife zu kurz: „Man darf die Industrie aber nicht als Restgröße ansehen“, komme es zu einer extremen Mangelwirtschaft und Energieknappheit bläst er ins gleich Horn wie vor wenigen Tagen Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer. „Dann drohen hunderttausende Arbeitslose und Versorgungsprobleme.“ Und der nennt die Verpackungsindustrie: „Man kann ja nicht die Ware einfach in einen Liefer-Lkw-Schütten“, da brauche es „eine Art Planwirtschaft“, die, wie die Geschichte drastisch zeige, extrem schwierig sei. Dass die Marktwirtschaft insgesamt das bessere Modell sei, habe sich in der Krise gezeigt. Und der Forderung von Fridays for Future, fosile Energie sofort einzustellen, erteilt er eine Absage: „Liebe Kinder, es ist nicht alles so einfach, wie man sich das vorstellt.“

In der gegenwärtigen Debatte um die Abmilderung der Inflation verlangt er, und so wird es auch im Bericht des Fiskalrates stehen, der in Kürze erscheint, eine starke Fokusierung auf einkommensschwache Personen. Eine hohe Streubreite, wie sie die bisherigen Maßnahmen haben, führe zu einer falschen Verteilung, man müsse sich um die Menschen verstärkt kümmern, die sich das Wohnen, die sich den Alltag nicht mehr leisten können. Wegen des geltenden Datenschutzes  sei es allerdings nicht möglich, Haushaltseinkommen zu ermitteln, da gehe es um eine Abwägung, wie wichtig die Unterstützung genommen werde. Was die Opposition fordere, sei jedenfalls Populismus, sei nicht zielführend und oft ein „Blödsinn, das werden wir uns nicht leisten können“. Zwar werde die Inflation alle Bevölkerungsschichten treffen, doch für weite Kreise sei das kein Problem, auch „wenn wahrscheinlich die Sparquote etwas sinken wird“. Jedenfalls sei es wichtig, die Sozialpolitik neu aufzustellen.

Insgesamt sei Österreich aber sehr gut aufgestellt in dieser europäischen und globalen Krise, „wir haben aber die beste Ausgangsposition, um die Krise zu bewältigen“. Besonders die Vorarlberger seien ja sehr kreativ und fleißig, das wisse er aus langjähriger Erfahrung. Und erinnert daran, dass wir ob ab der Herausforderungen auf keinen Fall die Klimaproblematik aus den Augen verlieren dürfen.

Die gesamte Sendung

Die Sendung "Vorarlberg LIVE" ist eine Kooperation von VOL.AT, VN.at, Ländle TV und VOL.AT TV und wird von Montag bis Freitag, ab 17 Uhr, ausgestrahlt. Mehr dazu gibt's hier.

(VN/VOL.AT)

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