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Branche kommt nicht auf Touren

Ein Autosalon macht noch keinen Frühling: Der Genfer Auto-Salon sollte die kriselnde Branche beleben. Doch die will und will nicht auf Touren kommen.

Der Genfer Salon zählt zu den Lieblingsmessen der Autofreunde. Im Gegensatz zur Frankfurter IAA ist er kompakt und überschaubar, weniger pompös und laut und weil es immer schon verführerisch nach Frühling riecht, ist beim traditionellen Autofest am Lac Leman stets Partystimmung angesagt. So herrschte auch an den beiden Presse- und Industrietagen vor der morgigen Eröffnung ausgelassene Fröhlichkeit und Champagnerlaune, und dem kollektiven Lächeln der Autobosse nach zu schließen, sollten in der Branche wieder Milch und Honig fließen.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Großwetterlage über der Autoindustrie ist unverändert düster. Das Autogeschäft ist schlecht ins neue Jahr gestartet. Und springt nicht an. Im Januar sind die Neuzulassungen in Europa gegenüber dem schon schwachen Vorjahr erneut gesunken, wobei Deutschland (minus 12,4 Prozent) und Frankreich (minus 11,9 Prozent) die großen Verlierer waren. Hatte man noch im Herbst vergangenen Jahres auf eine deutliche Erholung des Marktes gehofft, erfüllte selbst die IAA in Frankfurt ihre Rolle als Konjunkturmotor nicht. Jetzt ist zu befürchten, dass auch Genf trotz frischer Ware und eines üppigen Aufgebots an Weltpremieren und Prototypen wenig belebende Wirkung haben wird.

Fest steht: Auch 2004 wird kein Jahr für die Autoindustrie. Vor allem für die deutschen Hersteller ist eine Wende zum Besseren nicht in Sicht. Die jüngsten Äußerungen von DaimlerChrysler und Volkswagen lassen darauf schließen, dass sie die Hoffnung auf ein Anziehen der nunmehr im fünften Jahr dahindümpelnden deutschen Automobilkonjunktur bereits begraben haben.

Baustellen

Abgesehen von der Nachfrageschwäche plagen die Autokonzerne hausgemachte Probleme. Europas größter Hersteller VW, der 2003 einen massiven Gewinneinbruch erlitt und auch mit dem neuen Golf nicht so richtig vom Fleck kommt, fährt ab sofort ein Maßnahmenprogramm ,,ForMotion“, um die Ertragskraft des Konzerns zu steigern. DaimlerChrysler hat ebenfalls einige Baustellen offen. Zwar erreichte der Gesamtkonzern 2003 dank der Cash-Cow Mercedes seine Gewinnziele, doch hat man mit Chrysler, Smart und Mitsubishi unverändert Sanierungsfälle am Hals. Bei Opel gibt es vorsichtigen Optimismus, aus dem Wasser ist die europäische GMTochter noch lange nicht.

Gesättigt

Die Autokonzerne müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Markt in Europa mehr oder weniger gesättigt ist und das Heil in Hoffnungsmärkten wie China oder Iran zu suchen sein wird. Trotz aller Kreativität der Hersteller lassen sich auf dem Alten Kontinent nur noch wenige Nischen füllen. Die mangelnde Kauflust wird freilich unterfüttert von einer längeren Haltbarkeit der Fahrzeuge, aber auch von der herrschenden ökonomischen Unsicherheit.

Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung könnte die Branche mittelfristig vor ein weiteres Problem stellen, weil anzunehmen ist, dass das steigende Alter der Menschen und damit verbundene geringere Fahrleistungen zu weniger Neuzulassungen führen werden. Laut einer Studie werden Menschen über 60 Jahre ab 2015 mehr als ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.

Rabattschlacht

Die Faust im Nacken der Hersteller sind derzeit riesige Überkapazitäten, die sich in den letzten Jahren aufgebaut haben und nahezu keine Marke verschonen. Und jetzt scheint auch in Europa Handlungsbedarf zu bestehen. Mit dem Ergebnis, dass eine Rabattschlacht nach amerikanischem Muster eröffnet werden könnte – General

Motors, Ford und Chrysler gewährten im Vorjahr beim Kauf eines Neuwagens im Schnitt 4000 Dollar Preisnachlass. ,,Ich bin sicher, dass es in Europa bald ähnliche Zustände geben wird“, sagt Chrysler-Vize und Neo-Mercedes-Chef Wolfgang Bernhard. Benefits wie Frühbucherbonus (Opel), Umweltprämie (Subaru), Dieselbonus (Ford) oder Eintauschprämie (Kia) sind die ersten Anzeichen in diese Richtung, auch Volkswagen (Klimaanlage gratis beim neuen Golf) und Mercedes spielen schon mit.

Gefühlsbad

“Lassen Sie sich von Ihren Gefühlen lenken“, lautet das ziemlich platte Motto des 74. Genfer Salons. Die Steuerung, worauf die Aufmerksamkeit der Kunden gelenkt wird, übernimmt ohnehin die Autoindustrie, die ab morgen im Messegelände Palexpo nahe des Flughafens ihre Frühjahrskollektion ausrollt und im glänzenden Scheinwerferlicht begutachten lässt. Auffallend und erfreulich zugleich: Nach dem PS-Wahn und dem Luxus-Gehabe der letzten Jahre geben sich die Hersteller heuer wieder bodenständiger, Marken wie Nissan, Mazda oder Opel treten mit neuen Fahrzeugkonzepten gegen die Frühjahrsmüdigkeit der Kunden an.

In der Auslage steht auch ein Stück Graz, weil Mercedes mit dem stärksten ,,G“ aller Zeiten anrückt und den Klassiker zum Karriere-Ende als G 55 AMG mit 476 PS in die Berge schickt. Für verspielte Studien und andere Tollheiten sorgen wie immer in Genf die Kleinserienhersteller und Tuner. Erstmals in der Schweiz dabei: der Steirer Erwin Himmel, der mit ,,Furore Design“ für eine der Weltpremieren sorgt.

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