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Braucht’s die Impfpflicht?

Gastkommentator Johannes Huber fragt sich: Braucht`s die Impfpflicht?
Gastkommentator Johannes Huber fragt sich: Braucht`s die Impfpflicht? ©APA/EXPA/ JFK
Gastkommentar von Johannes Huber. Österreich wird keine Herdenimmunität erreichen: Zu viele Menschen zögern, sich schützen zu lassen.

Endlich! Während sich die dritte Corona-Infektionswelle immer stärker zurückzieht, wird mehr und mehr geimpft. Eine Million Menschen in Österreich sind bereits vollständig geschützt, fast drei Millionen haben zumindest eine Dosis erhalten. Das ist erfreulich: Der Sommer kann kommen, aus heutiger Sicht wird es ähnlich viele Freiheiten geben wie im vergangenen Jahr.

Der Weg zur „Normalität“, von der Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) immer wieder spricht, ist aber noch lang. Zum einen verschwindet Corona nicht ganz, ist mit weiteren, wenn auch kleineren Infektionswellen zu rechnen. Zum anderen hat Österreich gerade im Hinblick darauf ein größeres Problem: Schon bald könnte es nicht an Impfstoff, sondern an impfbereiten Menschen mangeln.

Rufe nach einer Impfpflicht werden laut. Kein Wunder: 70, 80 Prozent sollten geschützt sein, damit eine Herdenimmunität möglich erscheint. Österreich ist jedoch weit davon entfernt: Laut einer aktuellen Umfrage der Uni Wien ist mit 48 Prozent nur knapp die Hälfte der Bevölkerung entweder schon geimpft oder fix entschlossen, sich ehestmöglich impfen zu lassen. Bei allen anderen ist noch Überzeugungsarbeit notwendig.

Beim Eurobarometer, einer Erhebung der Europäischen Kommission, erklärten im Februar, März ganze 48 Prozent, sich gar nicht oder frühestens erst im kommenden Jahr impfen zu lassen. Viel weniger dürften es in den vergangenen Wochen nicht geworden sein, wie sich aus der Umfrage der Uni Wien schließen lässt. Das entspricht gut der Hälfte der Bevölkerung. Dieser Anteil ist viel zu hoch.

Also her mit einer Impfpflicht? Im Grunde genommen geht es eh schon in diese Richtung: Beim „Grünen Pass“, also dem Schlüssel für alle möglichen Freiheiten, ist zwar immer die Rede von den „3G“ bzw. Geimpften, Genesenen und Getesteten. Auf Dauer die geringsten Umstände haben aber Geimpfte. Allein schon, weil sie sich zum Beispiel nicht vor jedem Friseur-Termin testen lassen müssen. Das ist ein sanfter Druck, sich impfen zu lassen.

Zu einer echten Verpflichtung wird es nicht kommen. Zu groß wäre der Widerstand dagegen, darüber werden sich Kurz und Co., die immer auch die öffentliche Meinung im Auge haben, nicht hinwegsetzen. Und das ist in diesem Fall auch gut so.

Bei weitem nicht alle Impf-Zögerer und -Verweigerer sind Verschwörungstheoretiker. Viele befürchten, dass einzelne Stoffe zu schnell entwickelt, getestet und zugelassen werden, um sicher sein zu können. Laut Eurobaromter-Befragung beträgt der Anteil der Österreicherinnen und Österreicher, die diese Sorge haben, immerhin 57 Prozent. Das muss ernst genommen werden – und das wird es zum Teil auch: Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA lässt sich von österreichischen Regierungspolitikern sogar lautstark kritisieren, bleibt aber dabei, sich für Prüfverfahren zumindest ein paar Wochen Zeit zu nehmen. Das ist eine vertrauensbildende Maßnahme, die am ehesten dazu beiträgt, dass sich mehr Leute impfen lassen. Ein Fehler hier würde nur dazu führen, dass die Verweigerung zunimmt und eine Herdenimmunität letzten Endes nie und immer erreicht wird.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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