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Corona-Krise mit negativen Folgen für Herzpatienten

Herzpatienten warteten oft zu lange, bevor sie zum Arzt gingen.
Herzpatienten warteten oft zu lange, bevor sie zum Arzt gingen. ©APA
Daten aus Litauern zeigen: Während der Corona-Krise trauten sich viele Herzpatienten nicht zum Arzt zu gehen. Die Folgen machen sich nun langfristig bemerkbar.

Beim Herzinfarkt kommt es auf jede Minute bis zur Akutbehandlung mit Beseitigung des Blutgerinnsels in der Koronararterie an. Während der Covid-19-Krise im Frühjahr 2020 könnte hier eine langfristig wirkende, drastische Verschlechterung eingetreten sein. Das belegen Zahlen aus Litauen, welche vor kurzem bei einem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt worden sind.

Herzinfarktpatienten warteten zu lange

An sich sollten Personen, welche verdächtige Symptome für einen Infarkt haben, oder ihre Angehörigen im Fall des Falles sofort einen Notarzt alarmieren. Gerade während des Hochschwappens der Pandemie dürfte es aber zu wesentlichen Verzögerungen gekommen sein. Ali Aldujeli von der Universitätsklinik von Kaunas in Litauen und die Co-Autoren der Studie konnten das für das baltische Land (sechs von zehn Bezirke) eindeutig belegen: "Herzinfarktpatienten warteten während der Pandemiephase durchschnittlich 14 Stunden, wenn nicht gar bis zu zwei Tage, bevor sie Hilfe herbeiriefen. Im Jahr zuvor waren es im Durchschnitt sechs Stunden gewesen."

Ziehende, stechende Angina pectoris-Schmerzen, kalter Schweiß, Übelkeit, Erbrechen, eventuell Herzrhythmusstörungen - das können die Akutsymptome sein. Je schneller dann der Notarzt alarmiert und der Betroffene in eine spezialisierte Krankenhausabteilung aufgenommen wird, desto besser. Hält nämlich die Sauerstoffunterversorgung des Herzmuskels durch das Infarktgerinnsel an, stirbt Muskelgewebe ab. Wird hingegen der Thrombus schnell aufgelöst bzw. beseitigt (Kathetereingriff, Stent), kann bleibender Schaden verhindert werden.

Leute gingen seltener zum Arzt

In der Studie, welche von Aldujeli beim Herzschwäche-Meeting der ESC präsentiert wurde, wurden die Daten von 269 litauischen Infarktpatienten (11. März bis 20. April 2020) mit einer Vergleichsgruppe aus dem Jahr 2019 verglichen. Insgesamt kam es zu einem Rückgang der akuten Spitalsaufnahmen wegen Herzinfarkts in der ersten Covid-19-Phase um 34 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2019. Hatten die Patienten 2019 im Mittel 386 Minuten bis zur Alarmierung des Notarztes gewartet, waren es 2020 im Mittel 858 Minuten.

Bei der völligen Blockade eines Herzkranzgefäßes (STEMI-Infarkt) ging die Zahl der Spitalsaufnahmen um 22,1 Prozent zurück, beim non-STEMI-Infarkt ohne die klassischen EKG-Infarktzeichen und oft weniger ausgeprägten Symptomen aber um 47,4 Prozent. Die Zeit bis zum Ruf des Notarztes verdoppelte sich bei den STEMI-Patienten, bei den non-STEMI-Betroffenen vervierfachte sie sich. "Der Rückgang der Krankenhausaufnahmen und die dabei auftretenden Verzögerungen könnten durchaus mit den Medienberichten zu tun haben, welche die Angst vor einer Covid-19-Infektion im Krankenhaus erhöhten", sagte der Arzt.

Langfristige Folgen bei Herzpatienten

Das alles hatte in Litauen offenbar auch langfristige Folgen. Bei deutlich mehr Betroffenen trat nämlich als Folge eines Infarkts eine chronische Herzschwäche mit gestörter Pumpfunktion des Organs ein. Binnen sechs Monaten nach der Akuterkrankung während der ersten Pandemiephase mussten 22 Prozent der Betroffenen wegen "dekompensierter", also nicht zu beherrschender Herzschwäche erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden. 2019 war das nur bei 2,5 Prozent der Patienten der Fall gewesen. Von den STEMI-Kranken waren das 30 Prozent (2019: 1,3 Prozent), von den non-STEMI-Betroffenen hingegen 16,4 Prozent (2019: 3,5 Prozent).

In Österreich gab es in der ersten Pandemiephase (März bis Mai 2020) bei den Herzinfarkten mit interventionellen Eingriffen (Herzkatheter, Ballondilatation/Stents) eine Reduktion der stationären Aufenthalte um 25 Prozent, wie die Gesundheit Österreich GmbH feststellte. Laut Wissenschaftern der MedUni Graz waren während des ersten Lockdowns in der Steiermark deutlich weniger kardiovaskulär erkrankte Patienten in den Krankenhäusern behandelt worden. Zugleich war die Spitalsmortalität binnen 14 Tagen um 65 Prozent gestiegen.

"Die Menschen haben sich nicht zum Arzt getraut"

Was beim Herzinfarkt oder Schlaganfall sofort akute Auswirkungen haben kann, dürfte sich bei anderen Erkrankungen erst längerfristig bemerkbar machen. Dies könnte beispielsweise für Krebserkrankungen gelten, wo eine spätere Diagnose zu einer Verschlechterung der langfristigen Heilungs- und Überlebenschancen führt. "Manche Patienten sind mit verdächtigen Symptomen nicht oder erst später zum Arzt gegangen. Mammografien oder Koloskopien wurden verschoben. Die Menschen haben sich nicht zum Arzt getraut", erklärte der Wiener Onkologe Wolfgang Hilbe dazu gegenüber der APA.

(APA/red)

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