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"Die Tiere schreien die ganze Nacht um ihr Leben"

©VGT
Der VGT deckte gerade wieder katastrophale Zustände bei Tiertransporten auf. Aktivistin Ann-Kathrin Freude erklärt W&W exklusiv, wie sie vorgingen.

Die Schreie der Rinder zerschneiden die Stille die Nacht. Ununterbrochen erschallen die klagenden Rufe der Tiere. So laut, dass man sich wundert, wie die Anwohner im Umkreis des Hafengeländes ruhig schlafen können. So laut, dass man sich wundert, wie der Fahrer des Tiertransports vorn im Führerhaus schlafen kann. Und eben auch so laut, dass die TierschützerInnen, die gerade durch die Gitterstäbe der Tieranhänger filmen, es wohl nicht hören würden, wenn sich plötzlich Mitarbeiter des Hafengeländes von hinten nähern würden. „Es ist wirklich ein sehr großes Risiko, dass wir bei solchen Aktionen eingehen“, sagt Ann-Kathrin Freude, Tierschutzaktivistin beim Verein gegen Tierfabriken. Sie war dabei, als der VGT gerade gemeinsam mit den Initiativen Animals International und Animal Welfare Foundation die grausamen Rinder-Exporte vom spanischen Cartagena übers Meer zur Schlachtung in den Libanon, nach Israel oder in die Türkei aufdeckte.

„Wir waren insgesamt vier Wochen in Spanien, eine Woche davon am Hafen von Cartagena“, schildert Ann-Kathrin im Gespräch mit WANN & WO. Dass dort katastrophale Zustände für die Tiere herrschen – sie müssen mitunter tage- und nächtelang in Lkw-Anhängern und anschließend noch weitere Tage und Nächte in den Bäuchen von jahrzehntealten, maroden und ausrangierten Frachtschiffen verbringen, die nur notdürftig für Tiertransporte umgebaut wurden, so der VGT – wussten die AktivistInnen. Doch diese Zustände zu beweisen, war nicht leicht. „Das ganze, riesige Hafengelände ist abgeriegelt, kameraüberwacht und von Securitys geschützt“, erklärt die 32-Jährige.

Getarnt und verdeckt

Deshalb mussten sie erfinderisch werden: „Wir haben uns etwa auf einem Hügel gegenüber des Hafens postiert. In Tarnkleidung haben wir mit Superzoom-Kameras über hunderte Meter hinweg das Hafengelände, die halbstündlich ankommenden Transporte und die Verladungen, bei denen die Tiere mit Stöcken und Elektroschocks angetrieben wurden, gefilmt.“ Um noch näher heranzukommen, verkleideten sich AktivistInnen als JoggerInnen und rannten die beliebte Laufstrecke am Hafen entlang. „An einer Stelle ist der Zaun nicht ganz so blickdicht verhangen. Dort haben wir so getan, als würden wir uns dehnen und dabei ins Gelände gefilmt.“ Ungefährlich war das trotz aller Tarnung nicht: „Zweimal wurden Wachmänner auf uns aufmerksam und verscheuchten uns.“

Katastrophale Zustände

Und dann eben das nächtelange Verstecken auf den Parkplätzen, um schließlich, wenn die Tiertransportfahrer in ihren Schlafkabinen liegen, durch Schlitze in den Anhängern ins Innere filmen zu können. „Wie die Tiere dort eingepfercht standen, ohne Einstreu in ihren Fäkalien, panisch, verstört, um ihr Leben schreiend – diese Bilder bekommt man nicht aus dem Kopf“, sagt Ann-Kathrin ernst.

„Beim Verladen dann über die schmale, steile Rampe rutschen viele Tiere aus und verletzten sich. Anschließend müssen die Rinder oft noch tagelang im Schiffsrumpf ausharren, bis alle Tiere verladen sind.“ Erst dann setzt sich das Schiff in Bewegung und die Rinder verbleiben weitere Tage im Schiffsrumpf – bis sie schließlich nur entladen werden, um geschlachtet zu werden. „Dabei sind diese Frachter technisch so schlecht beieinander, dass sie noch nicht einmal unter europäischer Flagge stehen und viele europäische Häfen aus Sicherheitsgründen nicht anfahren dürfen. Vieles auf diesen Frachtern ist kaputt, immer wieder kommt es zu Bränden oder gar Havarien“, führt die Aktivistin aus. „Sie sind auch gar nicht für Tiertransporte ausgelegt. In die riesigen Frachträume im Rumpf wurden notdürftig Zwischendecken eingezogen, auf denen die Rinder ohne Sonnenlicht und Belüftung in ihren eigenen Exkrementen stehen – bei gerade einmal 1,60 Meter Deckenhöhe.“

Hin- statt Wegschauen

Die Aktivisten fordern einen Stopp dieser Transporte – und ein Hinschauen. „Am Donnerstag wurde endlich auch in den spanischen Medien darüber berichtet. Viele SpanierInnen wissen bislang gar nichts von den grausamen Tiertransporten, die über ihr Land abgewickelt werden.“ Doch das reicht der Aktivistin und dem VGT nicht: „Der Staat Österreich und die hiesigen Erzeugen wissen ja, dass Rinder, die von hier nach Spanien exportiert werden, mit sehr großer Sicherheit weitertransportiert werden. Und sie wissen auch, was das für die Tiere bedeutet“, sagt Ann-Kathrin. „Wenn mir das Tierwohl angeblich so am Herzen liegt, dann muss ich diese Tiertransporte stoppen. Aber diesen Schritt geht eben keiner, so lange das Geld lockt.“

(WANN & WO)

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