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Ein vermeintlich ausgerottetes Virus schreckt New York auf

In New York schreckt ein vermeintlich ausgerottetes Virus die Menschen auf.
In New York schreckt ein vermeintlich ausgerottetes Virus die Menschen auf. ©Canva Pro
Es war ein einziger Krankheitsfall, der bei Brittany Strickland nach eigener Aussage Todesangst auslöste.
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Erstmals seit neun Jahren wurde in den USA im Juli wieder ein Fall von Kinderlähmung nachgewiesen - und die 33-Jährige aus Pomona im Landkreis Rockland, das knapp 50 Kilometer nördlich von Manhattan im Bundesstaat New York liegt, war als Kind nicht gegen Polio geimpft worden. "Meine Mutter war Impfgegnerin", sagt Strickland.

Polio galt als ausgerottet

Kinderlähmung oder Polio - abgekürzt für Poliomyelitis - war einst auf der ganzen Welt verbreitet und gefürchtet. Tausende Kinder starben bei Infektionswellen oder trugen dauerhafte Lähmungen davon, bis in den 1950er-Jahren ein Impfstoff gefunden wurde. Inzwischen gilt die Infektionskrankheit in den meisten Weltregionen als ausgerottet. Nur in Ländern wie Afghanistan oder Pakistan tritt Polio immer noch auf.

Auch der Virologe John Dennehy von der City University in New York ging bis zuletzt davon aus, dass Polio "ein Virus auf dem Weg der Ausrottung" sei. Doch dann wurde im Juli der Fall in Pomona gemeldet. Seitdem wurde das Virus in Rockland und einem benachbarten Landkreis sowie in der Metropole New York auch in Abwasserproben gefunden - es scheint sich also auszubreiten.

Kann bei Ungeimpften zu schweren Krankheiten führen

Probleme macht in New York vermutlich aber nicht der Wildtyp des Virus. Die in den USA bis zum Jahr 2000 genutzte Schluckimpfung gegen Polio schützt Geimpfte zwar gut vor einer Infektion, kann über mit Impfviren kontaminierte Fäkalien im Abwasser aber zu Ansteckungen bei anderen Menschen führen. Die dabei auftretende Virus-Variante ist zwar schwächer als das Polio-Wildvirus, kann bei Ungeimpften aber immer noch schwere Krankheiten und Lähmungen verursachen.

Infizierter ist junger ungeimpfter Mann

Bei dem Infizierten in Pomona handelte es sich um einen jungen Mann, der nicht gegen Polio geimpft war. Es handle sich um einen "beunruhigenden, aber nicht überraschenden" Fall, erklärte die New Yorker Gesundheitsbehörde. Sie rief alle Menschen, die noch nicht geimpft sind, auf, sich schnell impfen zu lassen. In Rockland sind die Impfungen sogar kostenfrei.

New York: Nur 79 Prozent geimpft

Während die Impfquote bei zweijährigen Kindern nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC landesweit bei 92 Prozent liegt, sind im Bundesstaat New York nur 79 Prozent geimpft. In Rockland hat mit 60 Prozent sogar nur etwas mehr als jedes zweite Kleinkind eine Polio-Impfung erhalten.

Örtliche Medien berichteten, dass der Infizierte, ein Mann in den Zwanzigern, einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde in Rockland angehört. Orthodoxe Juden stehen Impfungen besonders skeptisch gegenüber - und sind im Landkreis Rockland stark vertreten. Mehr als ein Dutzend Rabbiner forderten ihre Gemeindemitglieder kürzlich in einem offenen Brief auf, sich gegen Polio impfen zu lassen.

Auch Shoshana Bernstein, selbst orthodoxe Jüdin, klärt in den Gemeinden über Impfungen auf. Sie hofft dabei auf die älteren Gemeindemitglieder. Sie könnten sich noch an Ausbrüche von Kinderlähmung in den 1950er-Jahren erinnern und jüngere Menschen von einer Impfung überzeugen, sagt Bernstein. "In einer Gemeinschaft, in der die Familie und die Alten hoch geschätzt sind, hat das einen Einfluss."

Teil eines größeren Ausbruchs?

Ob der Fall in Pomona Teil eines größeren Ausbruchs ist, ist noch unklar. Virologe Dennehy befürchtet, dass es sich nur um die "Spitze des Eisbergs" handelt. Nur ein Teil der Infizierten werde Symptome zeigen und nur ein Bruchteil werde an Paralytischer Poliomyelitis mit den typischen Lähmungen erkranken. Sollte sich die Krankheit ausbreiten, würden aber auch vermehrt schwere Fälle auftreten.

Strickland hat sich mittlerweile gegen Kinderlähmung impfen lassen. "Man denkt, dass so etwas hier nichts passieren wird. Und dann lassen sich ein paar Menschen nicht impfen - und jetzt sind wir in dieser Situation."

(APA)

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