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Folgen der Kettenverträge sind für Uni Wien drastisch

Über die Kettenvertragsregelung herrscht an Österreichs Universitäten große Unzufriedenheit.
Über die Kettenvertragsregelung herrscht an Österreichs Universitäten große Unzufriedenheit. ©APA/HERBERT NEUBAUER (Sujet)
Mit der im Vorjahr reformierten Kettenvertragsregelung herrscht derzeit große Unzufriedenheit an Österreichs Universitäten.

Die mehrmalige Aneinanderreihung befristeter Verträge ist an den Unis Usus - und das nicht nur für den eigentlichen Nachwuchs. Uneinigkeit herrscht über eine Lösung: Mittelbau-Vertreter drängen auf eine Umstellung auf unbefristete Verträge, Uni-Leitungen sind dagegen.

Folgen der Kettenverträge sind für Uni Wien drastisch

Im allgemeinen Arbeitsrecht ist eine mehrmalige Aneinanderreihung von befristeten Verträgen ohne sachliche Rechtfertigung nicht zulässig - im Universitätsgesetz (UG) wird davon seit jeher eine Ausnahme gemacht. 2021 wurde mit einer UG-Novelle die Kettenvertragsregelung neu gefasst. Wie bisher dürfen befristete Arbeitsverhältnisse höchstens auf sechs Jahre abgeschlossen werden. Anschließend darf höchstens zweimal verlängert bzw. ein neuer befristeter Vertrag geschlossen werden.

Große Unzufriedenheit zu Kettenverträgen an Österreichs Unis

Die Höchstdauer aller befristeten Verträge zusammen darf aber insgesamt acht Jahre (früher: zehn Jahre bei Vollzeit- und 12 Jahre bei Teilzeitbeschäftigung) nicht übersteigen. Von diesen Regeln gibt es wiederum (entweder bei der Dauer der Befristung oder der Zahl der möglichen Verlängerungen) zahlreiche Ausnahmen - etwa für studentische Mitarbeiter, Doktoranden, Mitarbeiter in Drittmittelprojekten, Lektoren und Karenzvertretungen.

Forscher ohne Professur müssen die Uni nach Vertragsende verlassen

Wenn Forscherinnen oder Forscher nach Auslaufen der Befristungsmöglichkeit sich nicht erfolgreich um eine unbefristete Stelle - etwa eine Professur - beworben haben, müssen sie die jeweilige Universität verlassen. Sie können aber an eine andere wechseln und dort erneut befristete Verträge schließen.

Mitarbeiter haben keine Sciherheit über ihre berufliche Zukunft

Die Kettenverträge bieten den Unis vor allem einen Vorteil: Bei unbefristeten Verträgen müssten sie Mitarbeiter, die sie nicht behalten wollen, aktiv kündigen - mit allen Unsicherheiten bezüglich Fristen oder etwaigen Anfechtungen. Umgekehrt dürfen die Mitarbeiter zwar während der Befristung grundsätzlich nicht gekündigt werden, haben aber nach deren Ablauf keine Sicherheit über ihre berufliche Zukunft.

Beidseitig ist die Unzufriedenheit über Verträge an den Universitäten groß

Die Unzufriedenheit an den Hochschulen ist jedenfalls beidseitig groß. So hält der am 1. Oktober neu amtierende Rektor der Uni Wien, Sebastian Schütze, die jüngste Reform nach wie vor für eine "Katastrophe". Bei einer Reparatur müsse zumindest sichergestellt sein, dass die Regelung nicht rückwirkend gilt. Neues Personal wisse dann zumindest von vorneherein, worauf es sich einlässt und dass es nach acht Jahren aus dem System fallen könnte. Außerdem müssten Ausnahmen für bestimmte Gruppen gelten, so Schütze bei einem Hintergrundgespräch im Klub der Bildungs- und WissenschaftsjournalistInnen.

Cargnelli: Vermehrte Entfristung seien keine Lösung

Vermehrte Entfristungen sind für ihn allerdings keine Lösung. Diese würden im Widerspruch zu einem kompetitiven Wissenschaftsbetrieb stehen, der auf Bewegung und internationalen Erfahrungen beruhe. Nur bei einzelnen Gruppen wie den Senior Lecturers, die vor allem bei der Sprachvermittlung eingesetzt werden, habe man an der Uni Wien darüber nachgedacht, stärker Entfristungen vorzunehmen - aber auch hier nicht pauschal, das sei auch eine Budgetfrage. "Es gibt Bereiche, wo es Sinn macht. Aber im Großen und Ganzen des Systems macht es keinen Sinn."

Folgen der Kettenvertragsregeln sind an der Uni Wien sichtbar

Die Folgen der neuen Kettenvertragsregeln sind an der Uni Wien bereits sichtbar, berichtet Christian Cargnelli von der IG LektorInnen. "Schon jetzt findet ein immer stärkerer Braindrain statt." Viele Kolleginnen und Kollegen, die mehrere Jahre im System sind, könnten hier schon keine Forschungsprojekte mehr einreichen (Regeldauer beim Wissenschaftsfonds FWF sind etwa drei Jahre, Anm.). Für so manche Betroffene sei das ein großes Problem, weil einige Fächer an anderen Unis in Österreich gar nicht angeboten werden.

Cargnelli erwartet drastische Auswirkungen für Uni Wien

Auch für die Uni Wien insgesamt erwartet Cargnelli drastische Auswirkungen. Beispiel Lektoren: Von den hunderten Stellen an der Uni Wien seien gerade einmal 58 entfristet, in acht Jahren steht hier also ein großer Wechsel an. Dabei stemmt diese Gruppe an der Uni Wien laut Cargnelli ca. 40 Prozent der Lehre, an Instituten wie Theater-, Film- und Medienwissenschaft ist der Anteil noch einmal höher.

Schütze sieht großflächige Entfristung sehr wohl als Lösung

Im Gegensatz zu Schütze sähe Cargnelli eine großflächige Entfristung sehr wohl als Lösung. Es gebe kein Argument, wieso über alle Unselbstständigen hinweg sechs Prozent befristete Arbeitsverträge haben, es an den Unis beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal laut Universitätsbericht 2020 hingegen 79 Prozent sind. Das Argument, dass an den Unis Innovation nur durch Fluktuation möglich sei, werde von vielen Betroffenen als Zynismus aufgefasst - immerhin brauche auch diese Gruppe Möglichkeiten, Karriere und Familienleben zu planen. In der Privatwirtschaft werde Personal schließlich auch nicht nach acht Jahren vor die Tür gesetzt. Er fordert, dass die Unis sich in den Leistungsvereinbarungen mit dem Bildungsministerium zu Personalplänen mit Fahrplänen zur Entfristung des universitären Mittelbaus verpflichten müssen. Generell sollte die Kettenverträge aus Cargnellis Sicht abgeschafft und das Uni-Personal ins normale Arbeitsrecht überführt werden.

(APA/Red)

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