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Forscher Stefan Thurner ist "Wissenschafter des Jahres"

Thurner wollte schon als kleiner Bub "sehr gescheit" werden
Thurner wollte schon als kleiner Bub "sehr gescheit" werden ©APA (Schlager)
Der Komplexitätsforscher Stefan Thurner (48) wurde vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zum "Wissenschafter des Jahres 2017" gewählt. Mit der Auszeichnung wird die Vermittlungsarbeit von Österreichs erstem Professor für die Wissenschaft Komplexer Systeme an der Medizinischen Universität Wien ausgezeichnet. Die Ehrung wird Thurner am Montagabend in Wien überreicht.

Die Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten würdigen mit der seit 1994 jährlich durchgeführten Wahl vor allem das Bemühen von Forschern, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Ansehen der österreichischen Forschung zu heben. “Es ist wichtig, den Leuten, die unsere Wissenschaft bezahlen, zu erklären was wir machen. Das ist ja nicht billig, in der Zwischenzeit gehen drei Prozent der Wirtschaftsleistung Österreichs in Wissenschaft und Forschung”, begründete Thurner gegenüber der APA sein Engagement in der Wissenschaftsvermittlung.

Bei seiner Arbeit am Institut für die Wissenschaft Komplexer Systeme der MedUni Wien sowie dem von ihm initiierten und geleiteten “Complexity Science Hub Vienna” (CSH) sei es ihm auch wichtig zu vermitteln, “dass wir mit den vorhandenen Möglichkeiten etwas Vernünftiges machen”. Konkret nennt er etwa die Arbeit an großen Problemen wie Klimawandel, Migration, Ungleichheit, systemische Risiken, Ineffizienzen, Fairness in demokratischen Systemen, etc. “Hier wollen wir etwas verbessern”, so Thurner.

Gemeinsam ist all diesen großen Problemen, dass es sich dabei um sogenannte komplexe Systeme handelt, die man vielfach noch nicht versteht. Das Spannende an der Komplexitätsforschung sei, “dass man jetzt erstmalig die Möglichkeit hat, diese Systeme so zu verstehen, dass man Vorhersagen darüber machen kann, und wenn man das schafft, kann man sie vielleicht sogar früher oder später managen”.

Jedes komplexe System habe Netzwerke in sich, “und das Verständnis dieser Netzwerke ist die Quintessenz, um komplexe Systeme zu verstehen, wie sich diese dynamisch verhalten, auf Stress reagieren, Robustheit zeigen oder kollabieren”. Erst wenn man wisse, wie Bausteine miteinander in Beziehung stehen, könne man ein System verstehen, sagte Thurner, der beim APA-Interview ein solches Netzwerk mit seinen Knotenpunkten und Verbindungen dazwischen anhand einer Kletterspinne im Wiener Schönbornpark demonstrierte.

In den klassischen Naturwissenschaften habe man bisher immer nur mit wenigen Bausteinen umgehen können, weil man weder die Computerleistung noch die dahinter steckenden Daten gehabt habe. Mittlerweile gibt es beides und “sehr viele Datensätze kann man als Netzwerke darstellen. Sobald sie in dieser Form sind, kann man wissenschaftlich damit umgehen, kann man Mathematik verwenden, um diese Systeme zu beschreiben und Fortschritte zu machen”.

Auch wenn die großen Datenmengen (“Big Data”) zu den Grundlagen der Komplexitätsforschung zählen, “wollen wir diese nicht verwenden, um etwa Leute zu überwachen oder die Privatsphäre aufzulösen”. Vielmehr sollen die Daten genutzt werden, “um Probleme, in die wir uns im 21. Jahrhundert gebracht haben, lösen zu können, konstruktiv und wissenschaftlich – damit wir nicht darauf angewiesen sind, nur aus dem Bauchgefühl zu handeln, wenn wir komplexe Systeme managen”, sagte Thurner.

Der “Wissenschafter des Jahres” wird alljährlich auch vom Office of Science and Technology (OST) an der österreichischen Botschaft in Washington zu einem Vortrag in die USA eingeladen. Als Trophäe gab es heuer erstmals eine Schneekugel aus der Original Wiener Schneekugelmanufaktur mit dem von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft im 3D-Druck-Verfahren produzierten Klub-Logo, einer Eule. Die Auszeichnung haben bisher u.a. die Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer (2016), der Archäologe Wolfgang Neubauer (2015), der Weltraumforscher Wolfgang Baumjohann (2014) oder die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter (2013) erhalten.

(APA)

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