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Moskau: Luhansk vollständig erobert - Kiew dementiert

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Nach wochenlangen Kämpfen haben russische Truppen nach eigener Darstellung die ostukrainische Bastion Lyssytschansk erobert und damit die Kontrolle über die gesamte Region Luhansk übernommen. Verteidigungsminister Sergej Schoigu informierte Präsident Wladimir Putin offiziellen Angaben zufolge am Sonntag darüber, dass das ganze Gebiet Luhansk "befreit" worden sei. Die Ukraine dementierte hingegen, dass Lyssytschansk von Russland erobert worden sei.

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums gelang es russischen Soldaten und prorussischen Separatisten am Sonntag zunächst, Lyssytschansk einzukesseln und dann in die Stadt einzudringen, um dort "den umzingelten Feind vollständig zu besiegen".

Situation sei "sehr intensiv"

Die Ukraine widersprach hingegen den russischen Angaben widersprochen, wonach Lyssytschansk im Osten des Landes von Russland erobert worden sei. Die Stadt stehe nicht unter vollständiger russischer Kontrolle, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kiew am Sonntag dem britischen Sender BBC. Die Situation sei seit einiger Zeit jedoch "sehr intensiv", russische Truppen griffen die Stadt permanent an.

"Für Ukrainer hat der Wert menschlichen Lebens oberste Priorität", sagte der Sprecher weiter. "Deshalb könnten wir uns manchmal aus gewissen Gebieten zurückziehen, um sie in der Zukunft zurückzuerobern."

"Kampf ist noch nicht vorbei"

Der ukrainische Ministeriumssprecher sagte, der Donbass sei nicht verloren, selbst wenn Russland ganz Luhansk erobere. Es gebe dort weitere große Städte, vor allem im Gebiet Donezk, die unter ukrainischer Kontrolle seien. "Diese Städte waren in den vergangenen Tagen Ziel schwerer Raketenangriffe und von Artilleriebeschuss. Aber der Kampf um den Donbass ist noch nicht vorbei."

In Lyssytschansk lebten vor Beginn des Kriegs mehr als 100.000 Menschen. Die Nachbarstadt Sjewjerodonezk hatte Russland zuvor schon erobert. Der Krieg dauert inzwischen schon mehr als vier Monate.

Auch aus anderen Landesteilen wurden erneut Kampfhandlungen gemeldet. Russische Truppen gelangen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau Schläge gegen militärische Infrastruktur im ostukrainischen Charkiw. Im Süden wiederum sei am Rand von Mykolajiw ein Stützpunkt getroffen worden, der von ausländischen Kämpfern genutzt werde.

Die Ukraine wiederum meldete, sie habe in der russisch-besetzten Stadt Melitopol im Süden des Landes eine Militärbasis mit mehr als 30 Treffern aus der Luft zerstört. Die von Russland eingesetzte Verwaltungsbehörde erklärte, es habe zwar keine Opfer gegeben, es seien aber mehrere private Wohnhäuser in der Nähe eines Flugfeldes getroffen worden.

"Es war so laut, dass ich aufgesprungen bin"

Gut 40 Kilometer jenseits der ukrainischen Grenze wurden unterdessen Explosionen aus der russischen Stadt Belgorod gemeldet. Der Gouverneur der gleichnamigen russischen Region, Wjatscheslaw Gladkow, teilte mit, es seien mindestens drei Menschen getötet und vier weitere verletzt worden. Mindestens elf Wohnblöcke und 39 Privathäuser seien beschädigt worden. Genaue Angaben zur Ursache der Detonationen machte er nicht. Er sprach lediglich von einem "Vorfall". Ein Bewohner der Stadt sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine Rakete sei etwa 20 Meter von seinem Haus entfernt gegen 3.00 Uhr Ortszeit in Wohnblöcken eingeschlagen. "Es war so laut, dass ich aufgesprungen bin. Ich wachte auf, bekam große Angst und fing an zu schreien." Alle Fenster in seinem Haus seien zersprungen. Die Türen seien aus den Angeln geflogen.

Der ranghohe russische Abgeordnete Andrej Klischas machte die Ukraine verantwortlich. "Der Tod von Zivilisten und die Zerstörung ziviler Infrastruktur in Belgorod sind ein direkter Akt der Aggression seitens der Ukraine und erfordern die härteste - einschließlich einer militärischen - Reaktion", schrieb er auf dem Messengerdienst Telegram.

Keine Reagion aus der Ukraine

Aus der Ukraine lag zunächst keine Reaktion vor. In Belgorod leben knapp 400.000 Menschen. Die Stadt ist das Verwaltungszentrum der gleichnamigen Region. Seit Beginn der von Russland als militärischer Sondereinsatz bezeichneten Invasion der Ukraine am 24. Februar gab es immer wieder Berichte über Angriffe in Belgorod und andere grenznahe Gebiete. Moskau wirft der Ukraine vor, hinter den Angriffen zu stecken. Die Regierung in Kiew hat sich nicht dazu bekannt, die Vorfälle aber als Quittung und Karma für Russlands Invasion bezeichnet.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz gab der Ukraine unterdessen erneut Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem Krieg mit Russland. Diese würden aber unterhalb einer NATO-Beistandsgarantie sein, sagt Scholz in der ARD. Die Ukraine gehört nicht der NATO an. Details stimme man derzeit mit den Partnern und der Ukraine ab, sagt Scholz. Dazu gehöre aber sicher, Sanktionen auch wieder in Kraft zu setzen. Er habe Russlands Präsident Wladimir Putin gesagt, dass dieser ohnehin nicht mit einer Aufhebung der Sanktionen rechnen könne, sollte er weiter einen Diktatfrieden nach dem Angriff auf die Ukraine anstreben.

(APA)

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