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"Nichts versprechen, nichts ausschließen" - Wie lange noch Pandemie?

Ist ein Ende der Pandemie in Sicht?
Ist ein Ende der Pandemie in Sicht? ©APA
Mehr als zwei Jahre sind vergangen seit ersten Berichten über eine mysteriöse Lungenkrankheit in der chinesischen Metropole Wuhan. Während China versucht, Corona so wenig Raum wie möglich zu geben, steht Europa am Anfang der fünften Welle.

Die Omikron-Welle droht Fachleuten zufolge die bisherigen deutlich in den Schatten zu stellen, auch wenn rund um die neue Omikron-Variante noch vieles ungewiss ist. Manche fürchten dennoch: Hört das nie mehr auf mit den neuen besorgniserregenden Varianten, den vielen Erkrankten und Toten und dem wiederholten Impfen?

Ausrottung unwahrscheinlich

Ausrotten lässt sich ein so ansteckender und verbreiteter Erreger wie Sars-CoV-2 laut Fachleuten aller Voraussicht nach nicht. Angenommen wird aber keine Pandemie-Dauerschleife. Sondern: Dass das Virus endemisch wird, also dauerhaft in einer Bevölkerung präsent bleibt. "Saisonale Schwankungen sind möglich", erläutert der Epidemiologe Rafael Mikolajczyk aus Halle. Aber epidemische Verläufe im Sinne eines langdauernden oder schnellen Anstiegs von Infektionszahlen würden im endemischen Zustand durch breit vorhandene Immunität ausgebremst.

Das Immunsystem sieht sich dann nicht mehr mit einem neuartigen Erreger konfrontiert, sondern ist durch frühere Infektionen oder Impfungen gewappnet. Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, spricht von einer Grundimmunität, die aufgebaut werden müsse. "Wenn sich ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger impfen lässt, haben wir den endemischen Status mit weniger schweren Krankheitsverläufen schneller", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Omikron könnte Ticket in die Endemie sein

Mit der Entdeckung von Omikron, die auch für Experten recht überraschend kam, könnte der Übergang in die Endemie sogar noch schneller gehen. Der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen sagte, dass angesichts der erwarteten hohen Fallzahlen und der darüber hinaus dann noch auftretenden Dunkelziffer von einem beschleunigten Durchlaufen der Infektion durch die Bevölkerung auszugehen sei. Zu erwarten sei, "dass auch Omikron wieder eine Immunantwort hervorruft und damit viele Menschen dann also Immunität aufbauen".

Die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf hatte kürzlich auf Twitter geschrieben, Omikron könne "unsere Exit-Welle & das "Ticket" in die endemische Situation" werden. Es sei so ansteckend, dass es bald keine Menschen ohne Antikörper mehr gebe. Da Omikron den Impfschutz teils unterlaufe, kämen auch Geimpfte damit in Kontakt. Der Preis könnte aber hoch sein. Omikron schließe die Immunitätslücken in Rekordgeschwindigkeit, "aber leider nicht so, wie wir uns das eigentlich wünschen würden", schrieb Eckerle. "Diese Immunität wird hier mit vielen Krankheits- & Todesfällen erkauft."

Impflücke in Westeuropa noch zu groß

In Österreich und Deutschland sind im Unterschied zu Ländern wie Südafrika, wo Omikron entdeckt wurde, noch viele Menschen weder durch Impfung noch durch Infektion auf Sars-CoV-2 vorbereitet. Daher bleiben Sorgen vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. Die Sorge von Experten gilt auch der schieren Zahl der zu erwartenden Fälle.

Unterdessen ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überzeugt, dass die akute Phase der Pandemie längst vorbei sein könnte - wenn die reichen Länder nicht Impfstoff gehortet und damit die Versorgung vieler ärmerer Länder verhindert hätten. "Wenn wir 40 Prozent Impfung in allen Ländern erreichen, haben wir die akute Phase der Pandemie praktisch beendet", sagte Bruce Aylward, Epidemiologe und Corona-Experte im WHO-Führungsteam in Genf. Das bis Ende 2021 angestrebte 40-Prozent-Ziel werden aber Dutzende Länder verfehlen.

Ein Ende der akuten Phase bedeutet, dass das Virus zwar weiter zirkuliert, die Gesundheitssysteme dies aber dank Impfstoffen und Medikamenten bewältigen können - ähnlich wie bei Grippeviren.

WHO bemängelt fehlende Solidarität

Die WHO macht mangelnde Solidarität der reichen Länder für die derzeitige Lage verantwortlich. Die Pharmaindustrie sagt dagegen, es gebe keinen Mangel an Impfdosen - allein im Dezember werden nach Schätzungen 1,4 Milliarden Dosen produziert. Vielmehr hätten viele Länder nicht genügend Kapazitäten, um umfangreiche Impfprogramme aufzubauen, und die Skepsis vor der Impfung sei vielerorts noch zu groß.

Omikron scheint genau das zu sein, wovor die WHO immer gewarnt hat: dass sich in Weltregionen mit schlechter Gesundheitsversorgung und niedrigem Impfschutz neue Virusvarianten bilden können, die den Schutz durch die bisherigen Impfungen unterlaufen. Deshalb sei die faire Impfstoffverteilung kein Wohltätigkeitsakt, sondern im eigenen Interesse der reichen Länder, mahnt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus immer. "Wenn wir die Pandemie im nächsten Jahr beenden wollen, müssen wir die ungleiche Verteilung beenden. Wir müssen sicherstellen, dass 70 Prozent der Bevölkerung in jedem einzelnen Land bis Mitte nächsten Jahres geimpft ist."

Verbreitung der Antkörper ist das Ziel

Wo genau Deutschland steht, dürfte sich RKI-Chef Wieler zufolge im Frühjahr klarer zeigen. Das Interesse gilt der Verbreitung von Antikörpern gegen Corona in der Bevölkerung, sei es durch Infektion oder durch Impfung. Dies wird in Studien ermittelt. "Je höher der Anteil der Menschen mit Antikörpern im Frühjahr ist, desto besser sieht es aus für uns." Ende 2020, bevor es mit dem Impfen losging, hatten laut Wieler erst etwa zwei Prozent entsprechende Antikörper.

Ende der Pandemie in Sicht

Befürchtungen einer Dauerpandemie mit immer wieder nötigem Impfen der ganzen Bevölkerung erteilte Charité-Virologe Christian Drosten Anfang Dezember eine Absage. "Das wird aufhören", sagte er in den ARD-"Tagesthemen".

Und in China? Das Land verfolgt eine strikte Null-Covid-Strategie. Kurz vor Weihnachten wurden etwa wegen einem Dutzend Corona-Infektionen im chinesischen Xi'an massive Ausgangssperren für die 13 Millionen Bewohner verhängt. Jede Familie könne ein Mitglied bestimmen, das alle zwei Tage einkaufen gehen darf, hieß es.

"Nichts versprechen und nichts ausschließen"

Was geschähe, würden die Schutzmaßnahmen in China doch einmal versagen? Dann käme es auf die Impfstoffe an. Doch es gibt zunehmend Zweifel daran, dass die chinesischen Präparate ähnlich wirksam sind wie die der westlichen Hersteller. Das Schlimmste könnte China also womöglich noch bevorstehen.

Experten machen nach den Erfahrungen mit zwei Jahren Pandemie deutlich: Prognosen zum weiteren Verlauf sind sehr schwierig. Die Virologin Sandra Ciesek sagte kürzlich, eine Lehre müsse sein: "Man kann leider nichts versprechen und nichts ausschließen."

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(dpa)

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