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Umfrage: So überlastet sind Vorarlbergs Spitalsmitarbeiter

Dritte Befragung der Belegschaft zeigt: Gesundheitswesen enorm unter Druck
Dritte Befragung der Belegschaft zeigt: Gesundheitswesen enorm unter Druck ©Bernd Hofmeister
Zum dritten Mal hat die AK Vorarlberg gemeinsam mit der Krankenhaus-Betriebsgesellschaft und dem Zentralbetriebsrat die Arbeitszufriedenheit in den Landesspitälern erfragt.

Die letzte Erhebung liegt vier Jahre zurück. Zwischen 2018 und 2022 wütete die Covid-Pandemie mit all ihren Belastungen. Die Ergebnisse der Befragung zeichnen ein Bild hoher Belastungen. Dennoch würden noch immer 83 Prozent aller Befragten jederzeit wieder einen Beruf im Gesundheitswesen ergreifen, 79 Prozent erneut in den Landeskrankenhäusern.

Doch die aktuellen Herausforderungen sind enorm. Vor allem die demographischen Entwicklungen bei Mitarbeitenden und Patienten werden den Einsatz aller erfordern.

Herausfordernde Altersstruktur

Fast 5000 Frauen und Männer arbeiten in den Landeskrankenhäusern, 21Prozent haben an der Befragung teilgenommen. Sie operieren und pflegen, verwalten und putzen. Die Personalstruktur zeichnet ein Bild der Überalterung. „Im Jahr 2032 werden über 50 Prozent der Beschäftigten über 45 Jahre alt sein“, sagt Heinrich Geissler. Der Arbeitswissenschaftler hat die Befragung geleitet und ausgewertet. „In zehn Jahren scheiden über 16 Prozent der Belegschaft aus“, ergänzt AK-Präsident Heinzle. In diesem Zeitraum erhöht sich der Anteil der Mitarbeiter, die 56 Jahre oder älter sind, von derzeit 16,1 auf über 26 Prozent. Alle fünf Jahre rollt von nun an eine Pensionierungswelle durch den Krankenhausbetrieb. In den nächsten 20 Jahren werden mehr als zwei von fünf der heute Beschäftigten nicht mehr im Dienst sein.

Arbeitsfähigkeit besser unterstützen

Die aktuelle Befragung macht deutlich, wie sehr die Arbeitsbewältigungsfähigkeit leidet. Heinrich Geissler nimmt die Pflege als besonders drastisches Beispiel heraus: „Hier hat sich die Arbeitsbewältigungsfähigkeit so verringert, dass für die nächsten zehn Jahre ein zweieinhalbfach erhöhtes Berufsunfähigkeitsrisiko drohen kann.“

Er geht ins Detail: „Die kritischsten Arbeitsbewältigungsindizes wurden bei jenen Mitarbeitern gemessen, die mehr als elf Überstunden leisten, die mit 35 bis 45 Lebensjahren in der „Rush Hour des Lebens“ stehen und in der Pflege beschäftigt sind.“

Das unterstreicht in den Augen von AK-Präsident Heinzle den dringenden Bedarf an Maßnahmen zur Entlastung dieser Personengruppen, etwa durch Personalaufstockung, Betreuungsangebote für Kinder und/oder übernommene Pflegeverantwortungen und erneut: verlässliche Dienstpläne.

Weitere Umfrageergebnisse:

Weitere Daten für Taten aus der aktuellen Befragung, in deren Verlauf nur 7,6 Prozent eine Verbesserung bzw. 26,1 Prozent eine teilweise Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren wahrgenommen haben, sind:

  • Fast die Hälfte (42,6 Prozent) geht öfter krank zur Arbeit. Der sogenannte Präsentismus gilt laut Heinrich Geissler als künftiges Gesundheitsrisiko: „Mehr als fünf Präsentismustage erhöhen das Risiko von mehr als 30 Tagen Krankenstand.“
  • 72,8 Prozent der Befragten klagen über einen überbordenden Verwaltungsaufwand, 65,8 Prozent leiden unter dem steigenden Arbeitsaufwand wegen fehlender Übergangspflege, 62,2 Prozent empfinden die zunehmende Zahl betagter Patienten als belastend.
  • Jeder Vierte fühlt sich mehrmals pro Woche am Ende eines Arbeitstages völlig verbraucht, 13 Prozent der Befragten fühlen das allabendlich. Mehr als jeder Vierte denkt oft oder immer daran, den Beruf zu wechseln.
  • Sieben Prozent der Befragten wollen mehr, aber 46 Prozent wollen weniger arbeiten, überdurchschnittlich hoch vertreten ist dabei die Altersgruppe der 26- bis 30-Jährigen (58,1 Prozent) und die Zahl derer, die erst maximal fünf Jahre zum Betrieb gehören (57 Prozent), die der Ärzt:innen (64,6 Prozent) und jene Kolleg:innen, die mehr als 20 Überstunden machen (62,6 Prozent). Fast jeder achte will aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten. Diese Zahlen bedeuten nichts weniger, als dass die jungen Leistungsträger weniger arbeiten wollen.

Statements

AK-Präsident Bernhard Heinzle

„Die Krankenhäuser, in denen Enormes geleistet wird, brauchen eine Demografie-robuste Personalentwicklung: Das reicht von der Früherkennung der Disbalancen über die alternsgerechte Arbeitsgestaltung bis zur guten Betreuung jüngerer Mitarbeiter.Um den Personalengpässen – vor allem in der Pflege – entgegenzuwirken, muss sich das Land dazu durchringen, die Entwicklung realistisch einzuschätzen. Außerdem brauchen wir mehr Ausbildungsplätze speziell für die gehobenen Dienste.“ Heinzle fordert erneut, die Diplom-Ausbildung an den Krankenpflegeschulen mindestens noch zehn Jahre weiterzuführen."

KHBG-Direktor Gerald Fleisch:

"Für uns war es wichtig, gerade jetzt proaktiv hinzusehen und die Bedürfnisse und Anregungen der Mitarbeiterschaft einzuholen und zu analysieren. Der Fachpersonalmangel ist auch im Gesundheitswesen angekommen und wird für lange Zeit bleiben. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es nun, darauf Antworten zu finden und den sehr wertvollen Beruf Pflege zu pflegen. Gemeinsam mit dem Betriebsrat und auch mit engagierten Arbeitnehmervertretungen wie der Arbeiterkammer werden wir die Herausforderungen der Zukunft meistern."

Zentralbetriebsrat Thomas Steurer:

„Natürlich brauchen wir mehr Personal, aber das wird noch dauern. Deshalb konzentrieren wir uns auf das bestehende Personal. Es geht darum, dass wir die Bedürfnisse der Mitarbeitenden vor allem hinsichtlich der Dienstpläne (Stichwort: keine ständigen Über-planung, vor allem bei Teilzeit) und hinsichtlich der empfundenen großen Belastungen ernst nehmen: Alle Generationen im Krankenhaus sollen ihre Arbeit gut bewältigen können und von Zeitfressern, wie z. B. Unterbrechungen oder erzwungene Wartezeiten entlastet sein. Besonders wichtig wäre eine funktionierende Anerkennungskultur, die das Personal mehr als verdient hat. Die Aufgabe ist es, das Personal zu halten und Arbeitsbewältigungsfähigkeit und Gesundheit zu erhalten.“

Daten zur Umfrage

Personalkennzahlen Vorarlberger Landeskrankenhäuser (Stand Oktober 2022)

  • 4928 „Köpfe“ der aktiven Bediensteten mit Karenzen/Sonderurlaube
  • davon Anteil Ärzte 17,41 Prozent
  • davon Anteil Pflege 45,01 Prozent
  • davon Anteil MTD 6,39 Prozent
  • davon Sonstige 31,19 Prozent
  • Frauen 70,36 Prozent
  • Vollzeit 52,0 Prozent

Die Rücklaufquote bei 4928 versandten Fragebögen lag bei 21 Prozent.

(VOL.AT)

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