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Vorarlberg: Der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart über Niederlagen und seine wilden Studentenjahre

Markus Linhart: Offene Worte im WANN & WO-Talk.
Markus Linhart: Offene Worte im WANN & WO-Talk.
Der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart sprach im WANN & WO-Sonntags-Talk mit CR-Stv. Joachim Mangard über seinen Job, seine Jugend in Bagdad und eine mögliche Kandidatur. Hier gibt's das Interview im Wortlaut noch einmal zum Nachlesen.
Markus Linhart im Talk
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WANN & WO: Geboren in Ankara als Sohn eines Diplomaten – wie haben Sie ihre Kindheit in Erinnerung?

Markus Linhart: Ich hatte ein Riesenglück, so eine interessante Jugend verleben zu dürfen. Als kleiner Junge und Sohn eines Diplomaten kam ich viel in der Welt herum und schon früh in den Kontakt mit unterschiedlichsten Kulturkreisen. Prägend war die Zeit in Bagdad, wo ich als Zehnjähriger sieben Jahre eine französische Schule besucht habe. Diese Periode erachte ich als prägend, man lernt die Grundrechnungsarten, lesen, schreiben, laufen aber auch streiten (schmunzelt).

WANN & WO: Ihr Studium der Elektrotechnik haben sie z.T. als Skilehrer und Alphirt im Montafon und Bregenzerwald finanziert. Wieviel Skilehrer-Schmäh steckt noch in Ihnen?
Markus Linhart: Im Gegensatz zu meinen anderen Brüdern hat es mich immer nach Vorarlberg gezogen, mein klassisches „Daheim“. Während meines Studiums in Wien habe ich meine Leidenschaft zur Natur und zum Skisport genutzt, um meine Kasse aufzubessern. Als Skilehrer in der damaligen Silvretta Nova habe ich eine tolle Zeit erlebt. Es entstanden viele Freundschaften. Durch meine Fremdsprachenkenntnisse bekam ich immer Jugendgruppen, vorwiegend aus Frankreich. Im Sommer verbrachte ich dann viel Zeit bei Alpbetrieben, z.B. im Garneratal und auf der „Vorderüntschen-Alpe“ und kam früh in Kontakt mit regionalen bäuerlichen Strukturen. Ich denke schon, dass mich auch das geprägt hat. Die „Bindung“ an die Heimat hat sich dann auch mit meiner Diplomarbeit bei den Illwerken gefestigt und zu meiner ersten Anstellung geführt. Damit war ich wieder fix im Ländle.

buergermeister-markus-linhart
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WANN & WO: Wie verliefen Ihre „Wilden Studentenjahre“?

Markus Linhart: Die waren schon ganz ordentlich (schmunzelt), so gehört sich das aber auch. Ich glaube, Studieren steht selbstverständlich im Vordergrund. Während dieser Zeit hat der Mensch aber auch die Möglichkeit, sich auszuleben. Ein revolutionärer Geist steckt in jedem von uns. Und vielleicht tut es manch einem ganz gut, diese Gedanken lieber früher als später auszuleben.

WANN & WO: Nach Ihrer Zeit bei der Illwerke übernahmen Sie die Geschäftsleitung des Technikums und wurden mit der Installation der Fachhochschule betraut. Wie wichtig ist der Hochschul-Standort für Vorarlberg?

Markus Linhart: Das war längst überfällig. Als 25-Jähriger erhielt ich bei der Illwerke die Chance, ein Riesen­­projekt zu verwirklichen. Dafür bin ich heute noch sehr dankbar. Im Anschluss erhielt ich das Angebot, als Geschäftsführer des damaligen Technikums tätig zu werden – mit einer Fachhochschule als Ziel. Ich kam mit sehr vielen Menschen in Kontakt. Das hat mich fasziniert und meinen politischen Werdegang mitgeprägt. Als gelernter Techniker habe ich dort auch dann meine ersten Sporen am Verhandlungstisch verdient. Mit der ersten Fachhochschule in Österreich haben wir auch die Chance genutzt, viel westliches und Vorarlberger Gedankengut in dieses Bundesgesetz einfließen zu lassen. Das würde sicherlich mehreren Bereichen in Österreich gut tun – trotz des üblichen Gegenwindes aus Wien (schmunzelt).

WANN & WO: 1995 wurden Sie Stadtrat in Bregenz. Wann fiel die Entscheidung für Ihr Engagement in der Politik?

Markus Linhart: Wir waren schon immer eine politische Familie. Schon in den Jugendjahren hat uns unser Vater am Mittagstisch herausgefordert. Er konnte es nicht ausstehen, wenn jemand keine Meinung hatte. Er hat auch alle Gesinnungen akzeptiert, auch jene eines jugendlichen Revoluzzers – was am ehesten meiner Rolle in der Familie entsprach (schmunzelt). Während meines Studiums engagierte ich mich an der TU Wien in der Hochschulpolitik, auch in einer Studentenverbindung. Nach meiner Rückkehr ins Ländle fragte mich dann irgendwann mal Lisl Gehrer, ob ich nicht mittun wollte. 1990 ging ich dann als Nummer 71 auf die Liste der Bregenzer ÖVP. 1995 wurde ich dann von Siegi Gasser weiter vor gereiht und wurde dann Stadtrat. Das war definitiv eine sehr fordernde Zeit. Ich war gerade zum zweiten Mal Vater geworden, mit dem Hausbau beschäftigt, Stadtrat in Bregenz und als Geschäftsführer des Technikums tätig – von Null auf Hundert.

WANN & WO: Drei Jahre später wurden Sie Bregenzer Bürgermeister. Auf welche Errungenschaft in Ihrer Amtszeit sind Sie besonders stolz?

Markus Linhart: Siegi Gasser bot mir an, sein Nachfolger zu werden. Nach einer ausgiebigen Bedenkzeit habe ich dann zugestimmt. Besonders stolz bin ich auf das Seeufer und den Kornmarkt. In meinen bald zwanzig Jahren, in denen ich dieses Amt ausüben darf, sind an diesen Punkten viele wichtige Schritte gesetzt worden. Mit der Neugestaltung des Kornmarktplatzes mit einer breiten Bürgerbeteiligung und den Maßnahmen am Seeufer – Renaturierung Mehrerau, Erneuerung Seeanlagen, Festspielvorplatz, neuer Hafen bis hin zu Pipeline – konnten wir dort viel bewegen.

markus-linhart-bregenz
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WANN & WO: Und Ihre größte persönliche Niederlage?

Markus Linhart: Wie in jedem anderen Job, hatte auch ich mit Rückschlägen zu kämpfen. Man darf sich einfach nicht beirren lassen. Hier muss man stark sein und sich gleichzeitig selbst permanent hinterfragen. Die größte Enttäuschung für mich war der damalige Widerstand gegen die Hafen-Tiefgarage. Alle Fraktionen stellten sich gegen mich, Medien inklusive. Heute wird sich kaum jemand mehr finden, der behauptet, dass der Bau dieser Garage nicht durchführbar gewesen wäre. Wenn ich damals klein bei gegeben und das Projekt begraben hätte, wäre der Stillstand für Bregenz besiegelt worden. Die ganze Hafen-Entwicklung, Kornmarktplatz oder Innenstadt stand und fiel mit dieser Garage und einem Quartier für diese „depperten“ Autos. Im Nachhinein bin ich der Meinung, richtig gelegen zu haben. Der gesamte Verhandlungsprozess und der teilweise untergriffige Widerstand haben bei mir persönlich aber Spuren hinterlassen.

WANN & WO: Stichwort Seestadt?

Markus Linhart: Auch hier gilt es, Entscheidungen zur Kenntnis zu nehmen. Umblättern, weitermachen ist hier die Devise. Und irgendein Gefühl im Bauch sagt mir, dass wir auch für die Stadt die richtige Antwort finden werden.

WANN & WO: Wie kann der Bürgermeister privat abschalten?

Markus Linhart: An Bregenz fasziniert mich die Paarung von Kleinheit und Urbanität. Mit dem umfangreichen Angebot, mit dem die Landeshauptstadt aufwarten kann, können wenige, auch größere Städte kaum mithalten. Einerseits haben wir eine wunderschöne Natur mit Berg und See, andererseits besticht die Bodenseestadt durch ihre kulturelle Qualität. Am besten abschalten kann ich entweder bei einer Mountainbike-Tour auf den Pfänder oder bei einem ausgiebigen Segeltörn auf dem See.

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WANN & WO: Wie schwierig ist es in Ihrem Leben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Markus Linhart: Definitiv nicht einfach. Mit meiner Lebensgefährtin Claudia, ihren Kindern und unserem gemeinsamen einjährigen Sohn Valentin erleben wir eine tolle Zeit, die wir genießen. Die holen einen dann schon wieder auf den Boden. Kinder machen einem immer wieder auf die wesentlichen Dinge des Lebens aufmerksam, abseits der alltäglichen Hektik und des Trubels. Generell ist mir in dieser Beziehung nicht alles gelungen, das ist nicht zu ändern. Ich bin auf jeden Fall stolz auf meine Kinder und versuche, so viel Zeit wie möglich mit ihnen zu verbringen.

WANN & WO: Was macht Markus Linhart wütend?

Markus Linhart: Ich scheue keine Auseinandersetzung und keine Diskussion. Ich kann es aber nicht ausstehen, wenn man mich anlügt.

WANN & WO: Was ist Ihre negativste Charaktereigenschaft?

Markus Linhart: Ich falle oft mit der Tür ins Haus und bin in gewissen Entschlüssen zu schnell. Schon als kleiner Bub wurde mir öfters empfohlen, noch eine Nacht darüber zu schlafen. Oder, dass ich fünf mal durchschnaufen sollte, bevor ich explodiere (schmunzelt). Aber im Alter bleibt uns ja die Hoffnung, dass man weiser wird. Emotion ist ja nicht unbedingt eine negative Eigenschaft.

markus-linhart-fahrrad
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WANN & WO: Was folgt auf die Zeit nach ihrer aktiven beruflichen Laufbahn?

Markus Linhart: Mein großer Traum bleibt eine kleine Landwirtschaft. Ich habe jetzt schon ein paar Schafe auf der Fluh, aber sehr wenig Zeit für diese Leidenschaft. Das liegt aber noch in weiter Ferne.

WANN & WO: Wie stehen die Chancen auf eine Kandidatur in drei Jahren?

Markus Linhart: Wenn der liebe Herrgott mir keinen Prügel in den Weg legt, werde ich nochmal antreten.

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Fotos: MiK

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