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„Warum wird Cannabis verboten?“

Nach einem OP-Fehler schwebt der 69-jährige Lochauer Egon Gasser seit acht Jahren in ständiger Lebensgefahr. Als die Schulmedizin nicht mehr weiterhalf, griff er zu Hanf – mit bemerkenswerten ­Auswirkungen.
Interview mit Egon Gasser

von Harald Küng/Wann & Wo

Seit acht Jahren lebt Egon Gasser als Schmerzpatient. Nachdem eine OP schiefgegangen war, droht ihm bis heute Organversagen – und damit der Tod. „Meine Blutwerte sanken so tief, dass die nötigen Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden konnten“, erzählt er, „eine schulmedizinische Unterstützung war nicht mehr möglich, weder in der Schmerzambulanz Zams, noch in Feldkirch oder Hohenems. Ich galt als austherapiert.“ Es folgten qualvolle Jahre, verursacht durch Nervenschmerzen am ganzen Körper – eine Palette von 20 Medikamenten, darunter Morphium, blieb wirkungslos. Heute ist Herr Gasser nicht mehr gehfähig und leidet an Schlafstörungen. Sein letzter Hoffnungsfunke: Cannabis.

Dronabinol und CBD

„Im vergangenen Jahr teilte ich meinen Ärzten mit, dass ich auf Hanf umsteigen werde“, berichtet der 69-Jährige weiter. Der Einstieg in die Hanftherapie erfolgte mit Dronabinol, medizinischem THC. Kostenpunkt: 600 Euro wöchentlich! Die Beschwerden ließen etwas nach, doch erst, als Herr Gasser CBD-Tee ausprobierte, stellten sich spürbare Verbesserungen ein. Auch die Blutwerte normalisierten sich wieder. „Die politischen und medizinischen Widerstände empfinde ich als zutiefst ignorant“, kritisiert er nach diesen Erfahrungen die aktuelle Cannabis-Gesetzgebung. „Mit welchem Recht wird diese von der Natur gegebene Pflanze verboten und so viele Menschen kriminalisiert? Warum darf ich nicht meinen eigenen Hanf anpflanzen, um mich selbst zu therapieren?“ Herr Gasser gibt den Kampf nicht auf: 2019 starten er und weitere Schmerzpatienten eine Selbsthilfegruppe, mit dem Ziel, die medizinische Nutzung von Hanf voranzutreiben.

„Ernüchterung eingetreten“

Doch der Weg dorthin, scheint noch ein weiter zu sein, wie Gesundheitslandesrat Christian Bernhard auf WANN & WO-Anfrage erklärt: „Seit Jahrhunderten ist die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis bekannt. Nach anfänglicher Euphorie über den medizinischen Einsatz ist mittlerweile aber Ernüchterung eingetreten. Ein nachweisbarer Nutzen, der nur in Einzelfallberichten beschrieben wurde, konnte in großen Studien nicht nachgewiesen werden. Übriggeblieben ist der Einsatz von Cannabis in der multimodalen Schmerztherapie, der Übelkeit bei Chemotherapie und bei Multipler Sklerose. Dafür sind bereits cannabis-haltige Reinsubstanz-Medikamente in Österreich zugelassen. Wenn ein tatsächlicher Nutzen belegbar sein sollte, werde ich mich entsprechend dafür einsetzen. Zuerst aber braucht es Klarheit.“
Ärztekammer: „Breiter Einsatz medizinisch nicht gerechtfertigt“

Auf WANN & WO-Anfrage teilte die Vorarlberger Ärztekammer zum Einsatz von Cannabis in der Medizin mit: „Der Einsatz von Cannabinoiden in der Schmerztherapie ist seit vielen Jahren ein Thema in der klinischen Forschung. In der Medizin findet vor allem der Wirkstoff THC (Tetra-Hydro-Cannbinol) Anwendung. Die Verschreibung dieses Medikaments, das in Tropfenform (z.B. Dronabinol) oder auch als Nasenspray (Sativex) eingesetzt wird, fällt unter das Suchtmittel-Verschreibungsgesetz. Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse, oft ist die schmerzlindernde Wirkung nur geringfügig besser als nach Einnahme eines Placebos. Dazu kommt die Tatsache, dass viele Patienten die Cannabis-Medikation aufgrund von Nebenwirkungen (Halluzinationen, Wesensveränderungen etc.) absetzen. Trotz interessanter Wirkansätze bleiben Cannabinoide somit Reserve-Medikamente für Patienten, die auf bewährte Behandlungsmethoden nicht ansprechen. So kann ein Einsatz bei hartnäckigen Nervenschmerzen erwogen werden. Auch bei chronischer Schmerzkrankheit wird THC bei ausgewählten Patienten gelegentlich verordnet. Ein breiter Einsatz als ,Schmerzmittel‘ oder die Verwendung von Hanfprodukten, die als Nahrungsergänzungsmittel in sogenannten Hanfläden vertrieben werden, ist aus medizinischer Sicht nicht gerechtfertigt und wissenschaftlich nicht belegt.“

„CBD-Produkte gehören in die Apotheke“

Jürgen Rehak, Präsident Apothekerverband: „Die Diskussionen um die arzneiliche Anwendung von Cannabis bezieht sich auf die Blüten der Pflanze sowie auf CBD-Extrakte. Blüten dürfen in Deutschland seit 2017 verkauft werden, CBD-Extrakte sind in Österreich frei verkäuflich. CBD hat eine Reihe moderater, aber eindeutiger Arzneiwirkungen. Daher ist es aus meiner Sicht auch als Arzneimittel einzustufen und gehört deswegen in die Apotheke.“

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