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Wie es der Vorarlberger Industrie ergeht

Wie ergeht es der Vorarlberger Industrie?
Wie ergeht es der Vorarlberger Industrie? ©VOL.AT/Mayer, Canva Pro
Mirjam Mayer (VOL.AT) mirjam.mayer@russmedia.com
Wie ist die Stimmung in Vorarlbergs Industrie und wo liegen die Herausforderungen? Das zeigt eine aktuelle Konjunkturumfrage.

Während der Coronakrise konnte die Industrie ihre Produktion am Laufen halten und zur Stabilität des Standorts Vorarlberg beitragen.

Aufschwung lässt auf sich warten

"Aufgrund der internationalen Verflechtungen ist die Industrie stärker als andere Branchen darauf angewiesen, mit ihren Angeboten international wettbewerbsfähig zu sein", erklärt Markus Comploj, Obmann der Sparte Industrie. Diese Wettbewerbsfähigkeit sei aufgrund der Preisexplosion bei Energie, dem permanenten Fachkräftemangel sowie einer teilweise trägen Bürokratie aktuell in Gefahr.

Umfrage mit 36 Unternehmen

Nun liegen die Ergebnisse der quartalsmäßigen Umfrage der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV) und der Industriellenvereinigung (IV) Vorarlberg vor. 36 Unternehmen mit insgesamt 26.040 Beschäftigten waren beteiligt. Während die Metall- und Maschinenindustrie mit der aktuellen Situation zu kämpfen hat und damit das Gesamtergebnis getrübt wird, zeigt sich in Branchen wie der Lebensmittelindustrie oder der Elektro- und Elektronikindustrie aktuell eine bessere Lage.

Krisen hinterlassen Spuren

Die Geschäftslage wird aktuell von 36 Prozent der Befragten als gut, von 33 als durchschnittlich, aber auch von 31 Prozent als schlecht beurteilt. Die Stimmung gegenüber der schlechten Lage im 3. Quartal (der drittschlechteste Geschäftsklimaindex seit 20 Jahren) hat sich nur leicht verbessert. Ähnlich ist das Ergebnis bei den Auslandsaufträgen und den derzeitigen Auftragsbeständen. Der Blick in die Zukunft verheißt bisher nichts Gutes, denn alle Industriebranchen sind sich einig: "Die Krisen hinterlassen immer noch ihre Spuren", verdeutlicht Comploj. Hoffnungen auf eine durchstartende Konjunktur seien angesichts der schwächelnden weltweiten Nachfrage verfrüht. "Die kommenden sechs Monate sind von großen Unsicherheiten geprägt", betont der Spartenobmann.

Wie ist die Stimmung in der Vorarlberger Industrie? ©VOL.AT/Mayer

Die Geschäftslage in sechs Monaten wird mit einem Saldo von minus vier Prozentpunkten leicht negativ eingeschätzt. Noch genauer: zehn Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich die Geschäftslage in sechs Monaten verschlechtern wird, nur sechs Prozent erwarten eine bessere Geschäftslage. Eine weitere wichtige Erkenntnis: 55 Prozent der Industrieunternehmen erwarten im nächsten halben Jahr eine Verschlechterung ihrer Ertragssituation.

Amann, Comploj und Zoll präsentierten am Freitag die Konjunkturumfrage. ©VOL.AT/Mayer

Ableitungen und Forderungen:

  • Grundlagen für die Lehrlingsausbildung sicherstellen: Sinnerfassendes Lesen im Fokus behalten!
  • Rot-Weiß-Rot-Karte zur Standortsicherung praxistauglich einsetzen: Genehmigungen beschleunigen!
  • Frauen-Power: Entscheidungsfreiheit für Eltern bei der Kinderbetreuung sicherstellen!
  • Attraktivierung von Arbeiten in der Pension: länger zu arbeiten muss sich finanziell auszahlen!

Lehrlingsausbildung sicherstellen

Bei der Sonderfrage dreht sich diesmal alles um die Ausbildung: Besteht Interesse zusätzliche Lehrlinge einzustellen, sofern diese die erforderlichen Qualifikationen (sinnerfassendes Lesen, Grundrechnungsarten…) erfüllen? Knapp 90 Prozent der befragten Industrie-Unternehmen wären im vergangenen Herbst dazu bereit gewesen. 50 Prozent wären sogar sehr interessiert gewesen, konnten jedoch keine nicht finden.

Markus Comploj ist Spartenobmann der Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg. ©VOL.AT/Mayer

"Es ist inakzeptabel, dass rund ein Viertel der Jugendlichen nach der Pflichtschule nicht sinnerfassend lesen kann", verdeutlicht Comploj. "Daher haben wir uns entschieden, über Projekte, wie beispielsweise das Salzburger Lesescreening und den verstärkten Einsatz von Lesepaten, gemeinsam mit der Bildungsdirektion die Förderung der Lesekompetenz an den Schulen zu unterstützen." Nicht lesen zu können, führe zu gesellschaftlicher Isolation, zu Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, zu einer erhöhten Armuts- und Krankheitsgefährdung bis hin zu einer schlechteren Gesundheit.

Die Nachwirkungen der Krise sind in der Industrie noch spürbar. ©VOL.AT/Mayer

Genehmigungen für Rot-Weiß-Rot-Karte beschleunigen

Gerade im Fachkräftebereich gilt es, die heimischen Potenziale zu heben und qualifizierte Zuwanderung zu ermöglichen. Es werde notwendig sein, beim Arbeitsmarkt an verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Nur so könne man die aktuell größte Wachstumsbremse – den Arbeitskräftemangel – lösen. Dazu brauche es auch bessere Rahmenbedingungen für die qualifizierte Zuwanderung. Spartenobmann Markus Comploj: "Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein taugliches Instrument im Interesse der Mitarbeiter und Unternehmen, die Genehmigungspraxis ist jedoch noch zu wenig praxistauglich. Die Änderungen und Verbesserungen der jüngsten Anpassung werden aus unserer Sicht behördlich zu wenig und zu wenig schnell umgesetzt."

Ausbau der Kinderbetreuung

"Damit mehr Frauen ihre Chancen am Arbeitsmarkt nutzen können, müssen wir im Land – mit Bundesunterstützung – zügig weitere Fortschritte machen, damit Familie und Beruf nicht nur Schlagworte bleiben", erklärt Comploj. Dazu gehöre der Ausbau der Kinderbetreuung, um es mehr Frauen zu ermöglichen, in den Arbeitsmarkt einzutreten. "Ganztägige Angebote an Schulen sollten ausgebaut werden. Es braucht zudem mehr Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht."

Wie ist das Geschäftsklima in der Industrie? ©VOL.AT/Mayer

Arbeiten in der Pension

In Österreich sind nur rund 32 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig, während in Deutschland noch fast 63 Prozent in dieser Altersgruppe arbeiten. "Wir wissen, dass es ein enormes Potenzial an Menschen gibt, die das Regelpensionsalter erreicht haben, die aber weiter arbeiten können und wollen", verdeutlicht Comploj. Diesen Leistungswilligen müsse man die richtigen Anreize geben. Etwa eine Befreiung von Pensionsversicherungs-Beiträgen. "Für jene, die mehr oder länger arbeiten wollen, muss sich das auch lohnen", sagt der Spartenobmann. Dadurch könne das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Antrittsalter herangeführt und damit das Pensionssystem gesichert werden. Dazu brauche es finanzielle Anreize, genauso wie den Ausbau gesundheitsfördernder Maßnahmen, sodass die Menschen länger gesund und mit Freude im Erwerbsleben bleiben können.

Branchenergebnisse im Detail

Maschinen- und Metallindustrie

"Für die in Vorarlberg dominierende Maschinen- und Metallindustrie ist die aktuelle Geschäftslage sehr herausfordernd, 63 Prozent sprechen von einer derzeit schlechten Lage, für nur 24 Prozent ist sie aktuell gut.", sagt Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie der WKV. "Auch die Auftragsbestände und Auslandsaufträge sind für mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) negativ." Licht am Ende des Tunnels biete der Ausblick auf die Geschäftslage in sechs Monaten: neun Prozent rechnen dann mit einer besseren Situation. Allerdings erwarten im selben Zeitraum 64 Prozent eine schlechtere Ertragssituation.

Lebensmittelindustrie

Die Lebensmittelindustrie (Nahrungs- und Genussmittel) ist laut Umfrage die Branche mit der derzeit besten Geschäftslage. Für 67 Prozent der befragten Unternehmen ist sie gut. "Eine Steigerung der Verkaufspreise erwarten 100 Prozent", so Amann weiter. 55 Prozent der Befragten bewerten die Auslandsaufträge und den Auftragsbestand als gut. Vier von fünf Unternehmen (79 Prozent) geben an, ihren Mitarbeiterstand erhöhen zu wollen. Aber auch in dieser Branche wird mit einer schlechteren Ertragslage (55 Prozent) in sechs Monaten gerechnet.

Amann präsentierte Detailergebnisse aus den Branchen. Der Aufschwung lässt derzeit noch auf sich warten. ©VOL.AT/Mayer

Textilindustrie

"Ein etwas besseres Bild zeigt sich auch in der Textilindustrie. Die derzeitige Geschäftslage wird von 43 Prozent, der Auftragsbestand von 72 Prozent und die Auslandsaufträge von 49 Prozent als gut wahrgenommen", erklärt Amann. 89 Prozent rechnen mit höheren Verkaufspreisen und 38 Prozent planen ihren Mitarbeiterbestand zu erhöhen, ebenso viele sprechen von einer aktuell guten Ertragssituation. Die Geschäftslage in sechs Monaten trübt sich jedoch mit einem Saldo von minus 15 Prozentpunkten wieder etwas ein.

Elektro- und Elektronikindustrie

"In der Elektro- und Elektronikindustrie ist die Stimmungslage aktuell ebenfalls erfreulicher", sagt der Geschäftsführer der IV-Vorarlberg, Christian Zoll. 46 Prozent sehen die aktuelle Geschäftslage noch als gut und kein Unternehmen als schlecht, in Summe ist das leicht schlechter als im vorigen Quartal. Die Verkaufspreise in drei Monaten sieht man insgesamt mit einem Saldo von 34 Prozentpunkten steigend, allerdings damit ebenfalls leicht schlechter als im Vorquartal. Erfreulich auch hier der Wunsch nach Erhöhung des Beschäftigtenstandes - 39 Prozent planen dies. Demgegenüber weniger erfreulich: auch in dieser Branche wird in sechs Monaten mit einer schlechteren Geschäftslage (32 Prozent) und sinkenden Erträgen (50 Prozent) gerechnet.

Verpackungsindustrie

Ein pessimistisches Bild liefert die Verpackungsindustrie. Nur 12 Prozent sprechen von einer aktuell guten Geschäftslage. Auftragsbestand und Auslandsaufträge werden vom Großteil als durchschnittlich bewertet. Während sich kein Unternehmen eine bessere Geschäftslage in sechs Monaten erwartet, gehen 34 Prozent von einer schlechter werdenden Lage aus. Die aktuelle Ertragssituation wird mit einem Saldo von -31 Prozentpunkte negativ bewertet. In einem halben Jahr werde sich diese nur leicht verbessern (Saldo minus 20 Prozentpunkte), berichtet Christian Zoll.

(VOL.AT)

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