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Datenschutzproblem: Corona-Status im Grünen Pass mit vielen anderen Daten verknüpft

Grüner Pass: Die Verknüpfung von Daten über Erwerbsleben, Einkommensniveau, etwaige Arbeitslosigkeiten und Co. wird massiv kritisiert
Grüner Pass: Die Verknüpfung von Daten über Erwerbsleben, Einkommensniveau, etwaige Arbeitslosigkeiten und Co. wird massiv kritisiert ©APA (Sujet)
Alles auf Schiene - doch nicht ohne Gegenwind: Das Gesundheitsministerium hat eine Novelle des Epidemie- und des Covid-Maßnahmengesetzes in Begutachtung geschickt, mit der der Grüne Pass umgesetzt wird.
"Grüner Pass": Startschuss ist 4. Juni
SPÖ fordert ausreichende Begutachtung

Die Grundrechts-Plattform epicenter.works sieht darin ein großes Datenschutzproblem. Das Gesetz sieht nämlich eine Verknüpfung von aktuellen und historischen Daten über das Erwerbsleben, das Einkommensniveau, etwaige Arbeitslosigkeiten, den Bildungsweg und Krankenstände aller geimpften oder genesenen Personen vor.

Grüner Pass: Corona-Status wird mit zahlreichen anderen Daten verknüpft

Geplant ist, dass die in der ELGA-Infrastruktur vorgenommene Impfungen in ein anderes Register, das Epidemiologische Meldesystem (EMS), kopiert werden. In dieser Datenbank werden Covid-19-Erkrankte mit geimpften Personen zusammengeführt, womit dort fast die gesamte österreichische Bevölkerung abgebildet sein wird. Dabei bleibt es aber nicht: In diesem Register soll eine Verbindung mit aktuellen und historischen Daten über das Erwerbsleben, das Einkommen, etwaige Arbeitslosigkeiten, den Bildungsweg, Reha-Aufenthalte und Krankenstände einer Person vollzogen werden. "Fast alle unserer Lebensbereiche werden in dieser Datenbank durchleuchtet werden", warnt epicenter.works und droht mit einer Verfassungsklage, sollte dieses Gesetz beschlossen werden.

ELGA-Daten-Verknüpfung für "epidemologische Überwachung"

Im Gesetz heißt es wörtlich, dass der Gesundheitsminister "zum Zweck der epidemiologischen Überwachung sowie des Monitorings der Wirksamkeit" der Corona-Maßnahmen Daten in Bezug auf gesundheits-, sozial-, erwerbs- und bildungsstatistische Merkmale verarbeiten darf und die ihm von der ELGA GmbH übermittelten Daten mit dem Register verknüpfen kann und diese Daten zum "Zweck des Ausbruchs- und Krisenmanagements, wie etwa für die Ermittlung von Impfdurchbrüchen, von Ausbruchsclustern oder für die Kontaktpersonennachverfolgung" verarbeiten darf.

Diese sensiblen Gesundheitsdaten werden mit "Lebensdaten" verknüpft

Diese Daten betreffen unter anderem Anzahl und durchschnittliche Dauer von Krankenständen, Rehabilitationsaufenthalte, die höchste abgeschlossene Ausbildung, Erwerbsverläufe, Arbeitsmarktstatus, Einkommen und Arbeitsort. Mit diesem Register entstehe praktisch eine Datenbank über annähernd die gesamte Bevölkerung, welche sensible Gesundheitsdaten mit "fast willkürlichen Lebensbereichen verknüpft", kritisieren die Datenschützer in ihrer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf.

Große Missbrauchsgefahr: Höchstgerichtliche Prüfung angestrebt

Angesichts dieser Datenfülle sei die vorgesehene Pseudonymisierung "gänzlich wirkungslos, da Menschen anhand der Kombination der Merkmale in dieser Datenbank eindeutig identifizierbar werden". "Diese Datenverarbeitung ist weder durch den Zweck des Registers gedeckt, noch ist diese Verarbeitung verhältnismäßig. Sollte dies nicht korrigiert werden, überlegen wir, eine höchstgerichtliche Prüfung dieser Datenverarbeitung anzustreben."

"Als wäre das nicht schon bedenklich genug, sollen die Daten dann zusätzlich im Statistik-Register gespeichert werden, was natürlich wiederum den Kreis der Zugriffsberechtigen immens erweitert. Dadurch entsteht ein großes Missbrauchspotenzial und vergrößert sich die Gefahr eines Datenskandals im Einflussbereich des Gesundheitsministeriums. Diese Bestimmung ist aus Datenschutzsicht keineswegs tragbar und sollte komplett gestrichen werden", fordern die Datenschützer.

Gesundheitsminister erhält umfassende Daten-Zugriffsrechte

In der Novelle des Epidemiegesetzes finden sich zudem zahlreiche Verordnungsermächtigungen für den Gesundheitsminister. So kann der Minister per Verordnung weitere Register zur Zusammenführung mit den Daten des EMS bestimmen. "Der bereits erhebliche Datenberg soll also noch weiter anwachsen können", so epicenter.works. Ein weiteres großes Versäumnis ist nach Ansicht der Experten, dass es keine Festschreibung der Unbeobachtbarkeit des Überprüfungsvorgangs von Zertifikaten gibt.

Regierung braucht Datensammlung für "Pandemiemanagement"

Das Gesundheitsministerium begründet die geplante Erstellung eines Registers, in dem der Corona-Statuts der Bevölkerung mit Daten über das Erwerbsleben, das Einkommensniveau, etwaige Arbeitslosigkeiten, den Bildungsweg und Krankenstände verknüpft werden mit der Schaffung eines "effektiven Pandemiemanagements". FPÖ und NEOS sahen ein "Datenschutz-Super-GAU" und ein "Datenschutz-Desaster" der Regierung.

Es gebe zunehmend Hinweise auf sogenannte "Impfdurchbrüche", das sind neuerliche Infektionen bereits genesener oder geimpfter Personen überwiegend mit Varianten (Mutationen) des Covid-19-Erregers oder über "Ausbruchscluster", die mit den verfügbaren Daten nicht nachvollzogen bzw. aufgeklärt werden können. Um hier passende Maßnahmen zu setzten, sei eine Übermittlung von Daten aus dem zentralen Impfregister und deren Verschneidung mit den Daten des EMS-Registers (Epidemiologisches Meldesystem) unumgänglich, heißt es in der Gesetzesbegründung. Durch die Verknüpfung von Informationen aus anderen Registern könnten neue Erkenntnisse "von großem Wert in Bezug auf Covid-19 gewonnen werden".

Sozialstatistische Merkmale sollen Erkenntnisse in Bezug auf Covid-19 bringen

So sollen die sozialstatistischen Merkmale einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der kurz- und langfristigen Zusammenhänge zwischen Covid-19-Erkrankungen und sozioökonomischen Umständen liefern. Dieser wiederum diene nicht nur dem Erkenntnisinteresse der Forschung, sondern sei eine Grundlage für die Entwicklung und Evaluierung von "evidenzbasierten Politikmaßnahmen und ein effektives Pandemiemanagement", so die Begründung für die Schaffung riesiger Datenregister.

Alarmierte Reaktion von FPÖ und NEOS

Alarmiert reagierten FPÖ und NEOS. Mit dem "Grünen Pass" wäre der gläserne Bürger perfekt und dem Missbrauch von hochpersönlichen Daten Tür und Tor geöffnet. "Dieser Unsinn muss sofort gestoppt werden", forderte FPÖ-Chef Norbert Hofer. Der "Grüne Pass" führe zu einer Spaltung der Gesellschaft und habe keinerlei Nutzen aus epidemiologischer Sicht." Es sei an der Zeit, "das Schikanieren der Menschen zu beenden und eine Rückkehr zum normalen Leben zu ermöglichen", so Hofer.

Die Vorlage der Regierung sei "unausgegoren, nicht kompatibel mit den Plänen der EU, eine Datenschutzkatastrophe" und müsste "komplett überarbeitet" werden, forderten NEOS-Datenschutzssprecher Niki Scherak und NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. "Aktuell ist völlig unklar, welche Stellen welche persönlichen Daten auslesen dürfen. Das ist höchst problematisch und darf auf keinem Fall kommen. Die EU hat bereits angekündigt, dass im europäischen Grünen Pass die Kompetenzen und Berechtigungen klar definiert werden sollen. Dass Österreich hier nicht diesen Weg geht und völlig unkontrolliert mit höchstpersönlichen Daten der Menschen umgehen will, ist inakzeptabel", so Scherak.

Grüner Pass: "Dritter Versuch - und nichts gelernt"

"Das ist bereits der dritte Versuch der Regierung, einen 'Grünen Pass' umzusetzen, und sie hat nichts gelernt. Eine Woche Begutachtung, davon ein Feiertag, ist ein Affront. Und die Regierung läuft sehenden Auges in die Gefahr, dass die österreichische Variante nicht EU-kompatibel sein wird. Wenn Türkis-Grün weiter so stur bleiben, werden die Österreicherinnen und Österreicher zwei Grüne Pässe - einen österreichischen und einen europäischen - brauchen. Das darf nicht passieren", warnte Loacker.

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(APA/Red)

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