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IKG-Präsident wünscht sich "Shoah-Zentrum" in Wien

IKG-Präsident Deutsch wünscht sich "Shoah-Zentrum" in Wien.
IKG-Präsident Deutsch wünscht sich "Shoah-Zentrum" in Wien. ©APA/HANS PUNZ
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, wünscht sich ein "Shoah-Zentrum" in Wien.

Vorbilder dafür könnten derartige Einrichtungen in Israel und den USA sein, sagte er im APA-Interview. Der Ukraine-Krieg habe auch die jüdische Gemeinde in Wien anwachsen lassen, berichtete er außerdem. Mit der FPÖ will Deutsch nach wie vor keinen Kontakt.

Deutsch wünscht sich "Shoah-Zentrum" in Wien

"Es gibt immer weniger Zeitzeugen", begründet Deutsch die Notwendigkeit eines Zentrums, das sich gezielt mit der Shoah beschäftigt. Gekommen ist ihm die Idee beim Besuch des Holocaust Museum in Los Angeles, wo Zeitzeugen via Hologramme mit jüngeren Besuchern in Kontakt treten. "Dieses Interagieren hat meine Kinder besonders beeindruckt."

Im gesamten deutschsprachigen Raum, eigentlich in ganz Europa, gebe es eine derartige Einrichtung nicht. Dabei müsse eine solche Einrichtung nicht unbedingt an die Dimensionen von Yad Vashem heranreichen. Als Träger eines solchen Zentrums könnten die Stadt Wien und der Bund vorangehen, geht es nach Deutsch. "Das würde auch international ein Zeichen setzen."

"Wir sind nicht auf den Holocaust zu reduzieren"

Dass es abseits der leidvollen Geschichte des Judentums aber auch ein reges Gemeindeleben gibt, will Deutsch aber ebenso vermitteln und den Menschen auch "das Schöne des Judentums" näherbringen, denn: "Wir sind nicht auf den Holocaust zu reduzieren." Größer wird die Gemeinschaft derzeit auch durch den russischen Krieg gegen die Ukraine, den Deutsch als "großes Verbrechen" bezeichnet.

Von Anfang an hat sich die IKG um die Vertriebenen aus der Ukraine gekümmert, von insgesamt 1.100 Flüchtlingen sind derzeit noch rund 900 in Wien in Betreuung. Waren diese zu Beginn des Kriegs noch in Hotels untergebracht, wurden nach und nach Wohnungen angemietet. Und obwohl viele Vertriebene früher oder später in ihr Heimatland zurückkehren wollen, sind auch einige Juden und Jüdinnen gekommen um zu bleiben. Gleich mehrere Dutzend Mitgliedschaftsanträge werden in der IKG derzeit bearbeitet.

Den Wunsch nach einer nach Außen hin besser erkennbaren Synagoge - diese wurden in der NS-Zeit ja aus dem Stadtbild ausradiert - hegt Deutsch derzeit nicht, seien doch alle jüdischen Einrichtungen klar gekennzeichnet - durch Polizeipräsenz aufgrund der Sicherheitsbedrohung. Die "Vision" des IKG-Präsidenten: "Dass einmal unsere Kinder in die Schulen oder Synagogen gehen, wie man in eine Kirche oder eine nicht jüdische Schule geht. Ohne kontrolliert zu werden wie am Flughafen. Das sollte irgendwann eine Selbstverständlichkeit sein."

Deutsch will Karl-Lueger-Denkmal in Wien entfernt sehen

Das umstrittene Karl-Lueger-Denkmal in Wien will Deutsch entfernt sehen. Allerdings warnt er vor einer "Salami-Taktik". So gebe es in Österreich weitere Straßen, die nach Antisemiten benannt sind. Aus diesem Grund wäre eine bundesweite Studie angebracht, die sich mit dem Thema beschäftigt. "Und dann sollten wir uns mit dem Bund und mit den Ländern zusammensetzen und schauen, was tun wir damit? Ja, das Lueger-Denkmal steht ganz vorne und es gehört entsorgt. Aber wir sollten schauen, Gesamtlösungen zu finden."

Zu jüngst wieder stark gestiegenen Meldungen über antisemitische Vorfälle meint Deutsch: "Antisemitismus ist ein Krebsgeschwür. Wir werden immer Antisemiten haben, in Österreich, in ganz Europa, in den USA, überall. Wir müssen nur schauen, dass wir diesen Antisemitismus, der viel zu stark geworden ist, eindämmen, weniger machen." Es gebe viele Wege, dagegen anzukämpfen, was in Österreich getan werde. Mehr machen könne man aber natürlich immer, so Deutsch.

"Ich bin stolzer Jude und das Wort sollte auch normal im Sprachgebrauch unternommen"

Was Deutsch irritiert ist die Tatsache, dass sich auch viele Menschen, die keine Antisemiten sind, schwer tun, das Wort Jude auszusprechen. "Was mich besonders stört ist, wenn man 'jüdische Mitbürger' sagt. Man sagt auch nicht 'katholische Mitbürger' oder 'muslimische Mitbürger'. Ich verstehe die Leute nicht. Vielleicht glauben Leute, dass Jude ein Schimpfwort ist. Ich bin stolzer Jude und das Wort sollte auch normal im Sprachgebrauch unterkommen."

Eine Gesprächsbasis mit der FPÖ sieht Deutsch derzeit auch weiterhin nicht. Zuletzt hatte sich etwa der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat und Volksanwalt Walter Rosenkranz beklagt, dass ihm vonseiten der IKG der Handschlag verweigert worden sei. "Diese Sorge wird Herr Rosenkranz weiterhin haben", meint Deutsch dazu.

"Ich weiß, dass Parteien unterschiedliche Meinungen haben. Aber wenn Europa in einer Krise ist, dann sollte man das Parteibuch zur Seite geben und sollte wirklich versuchen, das Einende vor das Trennende zu stellen", appelliert Deutsch generell an die Politik. "Und ich habe Sorge, dass es da - unter anderem von der FPÖ - Leute gibt, die am Zündeln sind. Die nur auf ein paar Prozent mehr für die eigene Partei schauen. Und das Zündeln ist gerade in Krisenzeiten gefährlich."

Die hohe Inflation und zuvor die Coronapandemie haben laut Deutsch jedenfalls Auswirkungen auf die Juden und Jüdinnen in Österreich. "In unserer Gemeinde hat sich die Zahl der Familien, die gegen Ende des Monats zu wenig Geld für Lebensmittel haben, in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt. Die aktuelle Teuerung birgt für die gesamte Gesellschaft Risiken, die sich manche politische Akteure zunutze machen möchten. Darauf werden wir alle im Herbst besonders achten müssen."

Deutsch regt Diskussion um autofreien Tag an

Gegen die durch die Inflation verursachte Krise hat Deutsch übrigens einen Rat parat: "Natürlich muss die Politik für stabile Rahmenbedingungen sorgen, aber es muss schon auch jeder selber einen Beitrag leisten." Ein Beispiel sei die Diskussion um einen autofreien Tag pro Woche. "Das Judentum kennt den autofreien Tag schon länger als es Autos gibt. Am siebenten Tag der Woche soll man ruhen. Dass dabei auch Ressourcen geschont werden, ist ein positiver Nebeneffekt. Aber es obliegt jedem selbst, wie er die Woche und das Wochenende gestaltet."

Ein Nachhaltiger Lebensstil ist Deutsch aber nicht nur in Zusammenhang mit steigenden Preisen ein Anliegen. "Wie wir mit der Erde umgehen, ist eine der wichtigsten Zukunftsfragen. Die vom Menschen verursachte Veränderung des Klimas kann nicht ignoriert werden", appelliert er. "Der Schutz der Umwelt muss als Gebot für die gesamte Menschheit verstanden werden. Es leitet sich sowohl aus der Tora als auch aus dem Hausverstand ab."

(APA/Red)

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