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Toter Fluglotse bleibt Sündenbock

Bülach - Am zweiten Tag des Strafprozesses um das Flugzeugunglück von Überlingen haben Zeugen am Mittwoch erneut den damals für die Flugverkehrsleitung zuständigen Lotsen belastet.

Der inzwischen von einem Russen getötete Lotse sei über die Wartungsarbeiten am System informiert worden, sagte der Verantwortliche der Schweizer Flugüberwachung Skyguide vor dem Bezirksgericht Bülach. Der Lotse war in der Unglücksnacht allein für die Luftraumüberwachung in Zürich-Kloten verantwortlich.

Die Systeme seien bei den Wartungsarbeiten stufenweise abgeschaltet worden, sagte der Systemmanager. Zuvor sei der Fluglotse von den Technikern über die Arbeiten und die Auswirkungen auf seinen Dienst informiert worden. Der Lotse habe für die Abschaltung der einzelnen Systemteile jeweils sein Okay geben müssen, sagte der Angeklagte.

Da neben dem Hauptradar auch die Haupttelefonleitung vorübergehend ausgeschaltet worden sei, sei das Nottelefon, der so genannte „Bypass“, in Betrieb genommen worden. Dessen Funktionsfähigkeit sei aber nicht überprüft worden, räumte der Systemmanager ein. Das Nottelefon hatte bei der Einweisung einer verspäteten Maschine auf den Flughafen Friedrichshafen nicht funktioniert. Dies hatte den verantwortlichen Fluglotsen nach eigenen Aussagen irritiert, so dass er den später bei Überlingen kollidierten Flugzeugen nicht genügend Aufmerksamkeit habe schenken können.

Ein ebenfalls angeklagter Skyguide-Systemkoordinator sagte dem Gericht, der Lotse hätte in Notfällen auf einen Systemtechniker zurückgreifen können. Wegen der Wartungsarbeiten sei ein Techniker in der Unglücksnacht im Kontrollraum anwesend gewesen. Der Lotse habe das auch gewusst.

Im Strafprozess um das Unglück vom 1. Juli 2002 mit 71 Toten sind insgesamt acht Skyguide-Mitarbeiter der mehrfachen fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs angeklagt. Bereits am Dienstag gaben drei Skyguide-Mitarbeiter die Hauptschuld an der Kollision dem inzwischen getöteten Fluglotsen. Dieser wurde im Februar 2004 von einem Russen erstochen, der beim Unglück Frau und Kinder verloren hatte.

Das Gericht interessiert sich aber dafür, weshalb der Fluglotse in der Unglücksnacht den Luftverkehr allein überwacht hatte, während ein zweiter Pause machte. Zudem steht die Frage im Raum, wie weit die Betriebs- und Personalorganisation sowie technische Einschränkungen durch Wartungsarbeiten die Katastrophe mitverschuldeten.

Bei Überlingen waren damals ein mit 69 Menschen – darunter 49 Kindern und Jugendlichen – besetztes Passagierflugzeug der Bashkirian Airlines und ein DHL-Frachtflugzeug mit zwei Piloten an Bord in rund 11.000 Metern Höhe kollidiert. Alle Flugzeuginsassen kamen ums Leben.

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