AA

Warum unser Gehirn Erinnerungen fälscht

Die promovierte Rechtspsychologin Julia Shaw referiert beim Vorarlberger Wirtschaftsforum.

Dr. Julia Shaw ist 31 Jahre alt und sieht mit ihren langen blonden Haaren und dem sympathischen Lächeln harmloser aus, als sie wirklich ist. Denn die promovierte Rechtspsychologin schmuggelt gefälschte Erinnerungen in die Köpfe der Menschen. Geboren in Köln, aufgewachsen in Kanada, lebt die „Memory Hackerin“ Julia Shaw heute in London. Sie studierte Rechtspsychologie in Kanada, war Dozentin für Kriminologie an der London South Bank University und forscht heute am University College London (UCL) im Bereich der Rechtspsychologie, Erinnerung und künstlichen Intelligenz. Eine bahnbrechende Studie machte Julia Shaw über Nacht zum Shootingstar: Anhand von kreativer Suggestion redete sie Menschen ein, sie hätten eine Straftat begangen, die tatsächlich nie passiert war. Ihr Sachbuchdebüt „Das trügerische Gedächtnis“ („The Memory Illusion“) wurde international zum Bestseller und in 17 Sprachen übersetzt.

Das trügerische Gedächtnis
Wir alle wissen, dass unser Gedächtnis nicht immer zu 100 Prozent verlässlich ist. Schließlich verlegen wir immer wieder unsere Schlüssel oder es fällt uns partout nicht ein, wie unser Nachbar heißt. Julia Shaw zeigt in ihrem Experiment, dass unser Gehirn nicht nur falsche Erinnerungen produziert, sondern dass es sogar gehackt werden kann: „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, unser Gedächtnis funktioniere wie eine innere Kamera, die alles aufzeichnet. Erinnerungen sind in Netzwerken angelegt, sie sind hochflexibel, plastisch und anfällig für Manipulationen. Erinnern ist ein kreativer Prozess, auf dessen Wahrheitsgehalt wir keinen Einfluss haben“, erklärt die deutsch-kanadische Rechtspsychologin.

Das Experiment
Julia Shaw führte das Experiment mit Studenten im Durchschnittsalter von 20 Jahren durch. Zuerst befragte sie die Eltern zu den Lebensumständen der Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 14. In diesem Zeitraum soll die Straftat geschehen sein. „Die Studenten kamen ins Labor und wussten bereits, dass ich etwas über ihr Leben weiß. Anschließend sagte ich ihnen, dass ihre Eltern mir erzählt hätten, dass sie mit 14 eine Straftat begangen hätten. Die erste Reaktion war natürlich immer: Wovon reden Sie?“ Julia Shaw erklärte den Studenten, dass ihre eigenen Eltern die Geschichte detailliert geschildert hätten und dass es ganz normal sei, ein negatives Erlebnis zu verdrängen. Man könne die Episode aber wieder ausgraben. Am Ende gaben 70 Prozent der Probanden zu, eine Straftat begangen zu haben, die in Wahrheit nie geschehen war. „Ich webte aus den Fakten einen löchrigen Teppich und sie füllten die Lücken mit ihrer Vorstellungskraft“, so Julia Shaw.

Multitasking als Feind des Gehirns
Nun stellt sich die Frage, ob das jedem passieren kann. Grundsätzlich ja. Wir unterscheiden uns aber vor allem hinsichtlich des Grades unserer Aufmerksamkeit, erklärt Shaw: „Sie ist der Kleber zwischen der Wirklichkeit und dem Erinnern. Multitasking, also wenn man viele Handlungen gleichzeitig ausführt, ist der natürliche Feind des Gedächtnisses. Es führt zu einer Systemüberlastung, dann geht gar nichts mehr.“ Heute haben vor allem soziale Medien und die tägliche Informationsflut einen starken Einfluss auf unsere Wahrnehmung. Sie vergrößern den kulturellen Kreis, das Geflecht an Beziehungen, die auf unsere Wahrnehmung und Einschätzung einwirken: „Somit können uns nicht nur Menschen beeinflussen, mit denen wir direkt in Kontakt stehen, sondern potenziell jeder.“

Start-up gegen Diskriminierung
Um ihre Erkenntnisse optimal zu nutzen und aufzuklären, arbeitet Shaw international als Keynote-Speakerin und Beraterin und gründete 2017 im Silicon Valley das Start-up SPOT mit, das mit Hilfe von künstlicher Intelligenz versucht, gegen Diskriminierung in der Wirtschaft vorzugehen. Vor allem Polizei, Bundeswehr, Justiz, Rechtsanwälte und die Wirtschaft setzen auf die Fähigkeiten der praxisnahen Wissenschaftlerin: „Die Vorstellung, man könne Lügen beispielsweise daran erkennen, wie jemand sie strukturiert, ist bewiesenermaßen falsch. Wir alle überschätzen unsere Fähigkeit darin bei Weitem. Die meisten Menschen wissen genau, wann sie lügen. Aber den Unterschied zwischen der Wahrheit und einer falschen Erinnerung erkennen sie nicht.“

WIRTSCHAFTSFORUM
EUROPA UND DIE WELT – IN WELCHE RICHTUNG DREHEN WIR UNS?

  • Donnerstag, 8. 11. 2018, Festspielhaus Bregenz
  • PREIS 325 Euro zuz. USt.
  • FIRMENBONUS Bei einer gemeinsamen Anmeldung ab fünf Personen 270 Euro zuz. USt. pro Person. Es kann nur ein Rabatt pro Firma in Anspruch genommen werden.
  • FRÜHBUCHERBONUS Early Bird bis 30. 9. 2018: 290 Euro zuz. USt.
  • ANMELDUNG unter www.wirtschaftsforum.vn.at
  • INFORMATION Russmedia GmbH, Telefon +43 (5572) 501-630, simone.koenig@russmedia.com

Weitere Referenten:

Thore D. Hansen ist Politikwissenschaftler, Wirtschaftsjournalist und Schriftsteller. Er ist spezialisiert auf die Analyse internationaler Politik und die Arbeit von Geheimdiensten. Ausschlaggebend dafür waren die Freundschaft zu einem ehemaligen CIA-Agenten sowie sein Studium bei Noam Chomsky. Thore D. Hansen war zwischen den Jahren 2006 und 2010 Pressesprecher zweier europäischer Großbanken und erlebte in dieser Zeit den Ausbruch der Finanzkrise hautnah mit. Heute schreibt er politische Thriller, die geprägt sind vom Anspruch der faktischen Recherche, um geheime und zeitgenössische Phänomene zu hinterfragen.

Reinhold Würth ist Unternehmer, Industriepionier und Kunstförderer. Im Alter von 19 Jahren übernahm er von seinem verstorbenen Vater einen Schraubenhandel mit zwei Mitarbeitern. Heute beschäftigt die Würth-Gruppe 730.000 Mitarbeiter, erwirtschaftet fast zwölf Milliarden Euro Umsatz im Jahr und ist Weltmarktführer im Handel von Montage- und Befestigungsmaterial. Würth ist mittlerweile 83 Jahre alt, ist Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats und legt dabei großen Wert auf den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern. Würth ist überzeugt, dass nicht Computer und Roboter die Wirtschaft antreiben, sondern die Menschen.

Charly Kleissner ist Software-Entwickler, Millionär und Impact Investor. Der gebürtige Tiroler entwickelte gemeinsam mit Steve Jobs das Betriebssystem OS X, auf dessen Basis noch heute alle iPhones, iPads und Mac Computer laufen. Nach Jahren als Entwicklungschef des Ariba-Konzerns verkaufte er seine Anteile, ist seither Multimillionär und möchte mit Geld die Welt retten. Als Impact Investor verfolgt er das Ziel, nicht nur Rendite zu machen, sondern mit seinem Investment die Welt zu verbessern. Mit dieser Überzeugung möchte er reiche Menschen inspirieren, einen Teil ihres Vermögens für den guten Zweck zu investieren.

Elisabeth Stadler ist Vorstandsvorsitzende der Vienna Insurance Group AG. Sie ist die erste Frau an der Spitze eines ATX-Unternehmens, will Frauen fördern und ist gleichzeitig Gegnerin der Frauenquote. Stadler studierte Versicherungsmathematik und gilt als faktenorientierte Topmanagerin. Ihre Mitbewerber haben großen Respekt vor ihrer Persönlichkeit und ihrem Fachwissen. Aktuell steht die Versicherungsbranche unter großem Kostendruck und auch die Digitalisierung wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor. Stadler sieht das als Chance „weil wir gefordert sind, neue Produkte zu entwickeln und uns gut aufzustellen“.

 

home button iconCreated with Sketch. back to homepage
  • ADMIN AT
  • Advertorial
  • Warum unser Gehirn Erinnerungen fälscht